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Aufklärung durch Globalisierung

Lesedauer: 3 Minuten


(Schweizer Monatshefte – Heft 3, 2003 – Seite 5)

POSITIONEN

Aufklärung und Globalisierung sind keine Gegensätze, wie dies Adolf Muschg mit seiner Gegenüberstellung von Aufklärungsliberalismus und Wirtschaftsliberalismus in seiner Zürcher Rede am Schauspielhaus suggeriert hat (Tages-Anzeiger, 20. Januar 2003, «Globalisierung oder wo kommen wir da hin?»). Globalisierung ist vielmehr ein Promotor der Aufklärung im Sinne der schrittweisen Entlarvung von Macht und Lüge. Ihre heutigen Gegner sind die Maschinenstürmer von gestern. Der totalitäre Sozialismus ist nicht an einem Angriff durch eine organisierte Gegenpartei gescheitert, sondern weil es nicht mehr möglich war, einen globalen Informationsaustausch zu verhindern. Derselbe Prozess wird sich in Zukunft auch bei anderen ideologischen und religiösen Modellen und Systemen abspielen, welche sich in einem abgegrenzten Territorium gegen den Pluralismus stemmen. Der Terrorismus kann eine Öffnung zwar verzögern, aber auf die Dauer wohl nicht verhindern.

Viele Intellektuelle haben als Produzenten und als Verbreiter von Ideen und Meinungen eine allzu eindimensionale und materialistische Vorstellung von dem, was offene Märkte grenzüberschreitend leisten und leisten könnten. Das Lancieren, Vertreten und Verteidigen von Ideen spielt sich nämlich auf Märkten ab, auf denen – so die Hoffnung der grossen Aufklärer — das, was sich nicht bewährt, zumindest langfristig, wenig Chancen hat. Offene Kommunikation ist eine Folge offener Güter-, Dienstleistungs- und Finanzmärkte, und die Globalisierung ist auch ein Mittel gegen die Aufrechterhaltung von ideologischen und religiösen Monopolen. Es trifft nicht zu, dass der Markt als Prinzip selbst ein Monopol anstrebt, den Pluralismus bedroht und seinerseits ein geschlossenes System, den «Marktismus», etabliert. Märkte haben sich immer — offen oder verdeckt — spontan gebildet. Marktwirtschaft ist auf Pluralismus und Privatautonomie angewiesen, auch wenn sich einzelne ihrer Anhänger diesbezüglich noch so inkonsequenr verhalten. Es geht heute in der Diskussion um Globalisierung und Kapitalismus nicht um einen Entscheid zwischen einem System A (Sozialismus) gegenüber einem System B (Kapitalismus), sondern um Systeme mit Wahrheits-Monopolanspruch auf der einen Seite, gegen die eines weltweit offenen Non-Systems auf der anderen.

Es trifft nicht zu, dass das Marktprinzip selbst ein Monopol anstrebt, den Pluralismus bedroht und ein geschlossenes System, den «Marktismus», etabliert.

Wie auf jedem Markt agieren auch auf dem Ideenmarkt dumme und schlechte Menschen mit verwerflichen und engstirnigen Auffassungen und Zielen. Was den Menschen gut bekommr und was nicht, lässt sich nicht allgemeinverbindlich vom Katheder aus verkünden. Der einzige taugliche Test für ein Ordnungsmodell ist die Beantwortung der Frage «Funktioniert es auf die Dauer befriedigend?». Dieses Kriterium findet sich schon in der Ringparabel in Lessings «Nathan der Weise». Anders als im Wettbewerb der dauerhaften Bewährung, können Bekenntnisse nicht bewertet werden. Diesen Bewährungstest hat beispielsweise der totalitäre Sozialismus nicht bestanden. Ob ihn ein auf offenen Märkten basierendes globales Non-System bestehen kann und bestehen wird, ist eine offene Frage. Immerhin geht es den Menschen (und zwar auch den Armen) in Ländern mit relativ freiheitlichen Rechts-, Wirtschafts- und Gesellschaftsordnungen nachweislich besser als in Ländern mit Zwangs- und Kommandowirtschaft, Interventionismus, Protektionismus und andern gutgemeinten Eingriffen.

Warum soll das, was in relativ offenen Handelsstaaten und in Bundesstaaten recht gut funktioniert, nicht auch global möglich sein: ein friedlicher Wettbewerb – auch der Ideen und Ordnungsmodelle? Hier eine Differenz zwischen Aufklärungsliberalismus, klassischem Liberalismus, Neoliberalismus und Kapitalismus zu kreieren, macht wenig Sinn. Das grosse und hoffnungsvolle Projekt eines weltoffenen, grenzüberschreitenden Liberalismus ohne Vorsilben und Adjektive ist eben erst angebrochen. Es hat gute Chancen, die gefährlichen Irrtümer der letzten zwei Jahrhunderte, den Nationalismus, den Zentralismus, den Imperialismus sowie den National- und International-Sozialismus zu überwinden.

Schweizer Monatshefte – Heft 3, 2003 – Seite 5

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