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Bären gegen Imker

Lesedauer: 2 Minuten

(Finanz und Wirtschaft, 10. Februar 2010, Seite 3)

Weshalb machen die Schweizer einen Unterschied zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung und warum haben Länder, die diese Differenzierung nicht akzeptieren keine bessere Steuermoral?

Der Unterschied zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug ist nicht leicht zu erklären. Dabei wäre es so einfach, wenn man jene Faustregel heranzöge, die sich in der Alltagskommunikation in vielen Partnerschaften bewährt: Man muss sich gegenseitig nicht immer die ganze Wahrheit sagen, aber man darf sich nicht knallhart belügen. Genau dies gilt in der Schweiz auch bei jenem Zusammenwirken zwischen Steuerbehörden und selbstdeklarierenden Steuerzahlern. Die Schlüsselbegriffe beim Unterschied zwischen beiden Steuerstrategien sind das gegenseitige Vertrauen und die Steuermoral. Im Zentrum stehen das Vertrauen des Kunden in seine Bank und das Vertrauen zwischen Bürger und Staat. Ein Staat der die Privatsphäre seiner Bürger nicht respektiert, verdient selbst keinen Respekt.

Steuergerechtigkeit ist ein Phantom. Steuern sind nie in einem metaphysischen Sinn „gerecht“. Wer unter Gerechtigkeit die grundsätzliche Gleichbehandlung aller versteht, müsste konsequenterweise eine Kopfsteuer vertreten.

Das hoch gelobte Prinzip der progressiven Besteuerung nach Leistungsfähigkeit ist eine Chimäre von Juristen, die wenig von Wirtschaft und von Psychologie verstehen und die labile Balance zwischen Leistung, Leistungsbereitschaft, Leistungsfähigkeit und günstigen Konstellationen vernachlässigen. Die Besteuerung steuert ja selbst wieder die Leistungsbereitschaft, die ihrerseits eine Grundlage der Leistungsfähigkeit ist: ein komplizierter Regelkreis. Die massive fiskalische Mehrbelastung der Fleissigen, Erfolgreichen, Reichen und durch Erbe Begünstigten führt dazu, dass deren Anteil an der Gesamtbevölkerung durch Leistungsverzicht, Leistungsverweigerung und Abwanderung ständig sinkt, was zur Folge hat, dass die Steuerschraube noch mehr angezogen werden muss.

Dies ist die schlechtestmögliche Nutzung des Humankapitals einer Bevölkerung. Die Regierung beutet die Steuerzahler aus, statt sie zu bewirtschaften. Sie ist dem Bären vergleichbar, der die Bienenstöcke zerstört, um an den Honig zu kommen, während der Imker seine Bienen kultiviert und grundsätzlich so behandelt, dass ihre Produktivität steigt und nicht sinkt.

Die Antithese zur schweizerischen Besteuerungsstrategie ist das aggressive Vorgehen des deutschen Obrigkeitsstaates. Da stehen sich Staat und Steuerzahler grundsätzlich als Feinde gegenüber, die sich mit immer wieder neuen Taktiken (Kontrollen, Schikanen, Bespitzelung, Spionage, Tarnung und Flucht) gegenseitig bekämpfen. Der Steuerzahler ist dort nicht nur Steuerschuldner, sondern stets potentieller Steuersünder, der sich aufgrund der Normenfalle komplizierter und unklarer und gegen ihn auslegbarer Bestimmungen permanent als Angeklagter fühlen muss.

In diesen Systemen sind hohe Einkommen und Vermögen zunächst suspekt. Man begegnet ihnen mit Neid und Missgunst und versucht mit allen Mitteln, diesen Steuersubjekten irgendwelche Verstösse gegen den Fiskus nachzuweisen. Die Kontrollen werden immer intensiver und aggressiver, was letztlich zur Vertreibung führt. Diese löst dann jene Verfolgungsstrategien aus, die nicht einmal vor illegalen Methoden Halt machen. Wer aber nicht vertreibt, der müsste auch nicht verfolgen.

Möglicherweise ist das deutsche Steuersystem, gemessen an irgendwelchen egalitären Masstäben „gerechter“ als das eidgenössische. Es ist aber bestimmt weniger effizient und zerstört per saldo nicht nur mehr Steuermoral, sondern auf die Dauer generell auch mehr Loyalität und Bürgertugend, ohne die kein Staat überlebensfähig bleibt.

Robert Nef präsidiert den Stiftungsrat des Liberalen Instituts und die Stiftung für Abendländische Ethik und Kultur.
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