Zum Inhalt springen

Was ist ein geglücktes Leben?

Lesedauer: < 1 Minute

(Leader Oktober 2024, Seite 15)


Wie wäre es, wenn man Menschen über 70, die selbstkritisch auf ein ganzes Leben zurückblicken, befragen würde, was in ihrem Leben am meisten zum Glück beigetragen habe – und ob sie in ihrem Leben in Sachen Karriere, Familie, sozialem Engagement und Freundschaften die richtigen Prioritäten gesetzt hätten?

Wahrscheinlich wird der materielle und berufliche Erfolg als Glücksfaktor tendenziell überschätzt und das private Glück im Familien- und Freundeskreis erhält – mindestens aus männlicher Sicht – zu wenig Gewicht.

Heisst Gleichberechtigung lediglich, dass viele Frauen dieselben Fehler und Fehleinschätzungen bezüglich Beruf und Familie machen sollen, wie es viele Männer seit Jahrhunderten tun?

Der wirksamste Beitrag zur Gleichberechtigung der Geschlechter wäre eine völlige Deregulierung der staatlich vorgegebenen Einteilung des Lebens in «Ausbildung», «Berufstätigkeit» und «Ruhestand» sowie in «Arbeitszeit», «Familienzeit» und «Freizeit» plus eine Neubewertung dessen, was man gemeinhin «berufliche Karriere» nennt.

Wenn viele Frauen intrinsisch motiviert das Familienleben über eine finanziell lohnendere Berufskarriere stellen, haben sie keinen Grund, sich rückblickend deswegen Vorwürfe zu machen.

Odysseus, der sich im Trojanischen Krieg und auf seiner mehrjährigen abenteuerlichen Heimkehr grössten Ruhm erworben hatte, antwortete nach seinem Tod in der Unterwelt auf die Frage, welches Leben er führen wollte, sollte er noch einmal zur Welt kommen: dasjenige eines unauffälligen, zufriedenen Privatmannes und Familienvaters.

Robert Nef, Publizist

Leader Oktober 2024, Seite 13

Schlagwörter:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert