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Mit Ungleichheit produktiv umgehen

Lesedauer: 2 Minuten

(Leader Juni/Juli 2024, Seite 13)


Menschen sind ungleich oder – positiv formuliert – vielfältig, und die Kommunikations- und Dienstleistungsgesellschaft lebt vom produktiven Umgang mit der Tatsache, dass unterschiedliche Menschen sich vertraglich und ver- träglich die Arbeit teilen.

Nach dem Fabrikzeitalter, in dem es auf eine optimale Abstimmung des Arbeiters auf die Maschine ankam, die ihrerseits zeitlich ausgelastet und richtig gehandhabt werden musste, sind Dienstleistungen auf die komplexen und sich wandelnden Bedürfnisse vielfältiger Kunden abzustimmen.

Den Gegenwert solcher Tätigkeit bestimmt nicht irgendein staatlicher Ausweis über rein technischen Fähigkeiten und Fertigkeiten, sondern die jeweilige Knappheit, die mit der Zufriedenheit der Kundschaft zu tun hat. Vielfalt und permanente Lernfähigkeit werden wichtiger als Gleichschal- tung und technische Anpassung.

Jeder Abschied fällt schwer, auch der Abschied von der Vorstellung, der Fortschritt bewege sich in Richtung von Gleichschaltung im Rahmen einer staatlich garantierten kollektiven Bildungsmaschi- nerie und einer lebenslänglich geregelten Daseinsvorsorge. Wir werden genetisch ungleich geboren und in vielfältigen Umwelten sozialisiert, und wir haben auch unterschiedliche Wünsche, Werthal- tungen und Ziele. Geldhungrige wollen mehr Geld, Freizeithungrige mehr Freizeit, Machthungrige mehr Macht, Anerkennungshungrige mehr An- erkennung, Liebeshungrige mehr Liebe, und Beschauliche mehr Musse.

Alle diese Bedürfnisse werden in individuelle und kollektive soziale Beziehungsnetze eingebracht. Es kommt dabei zum Austausch und auch zu einem gewissen Ausgleich, und es macht den Wert einer Gemeinschaft aus, wie kreativ ihre Mitglieder mit ihrer Vielfalt umgehen. Daher ist Ungleichheit kein Übel, sondern eine Chance. In einer Gesellschaft von Gleichen würde der wirtschaftliche, und sozio-kulturelle Austausch immer überflüssiger. Ein Verlust der Vielfalt durch staatliche Gleichschaltung führt letztlich zur Vereinzelung und Vereinsamung im anonymen Kollektiv.

Robert Nef, Publizist

Leader Juni/Juli 2024, Seite 13

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