Zur Buchvernissage von Claudia Wirz und Gerhard Schwarz
Robert Nef, Frühling 2024
«Resignatio ist keine schöne Gegend» hat Gottfried Keller auf seine Schreibunterlage gekritzelt.
Ja, man kann sich fragen, ob sich ein lebenslanges publizistisches Engagement für einen liberaleren Staat und für eine freiheitlichere Wirtschaft und Gesellschaft wirklich gelohnt habe. Der politische Trend läuft ja im Moment in allen Parteien eher in Richtung von «mehr Staat zugunsten unserer Wählerschaft und Kundschaft» – mit ganz wenigen Ausnahmen!
Ich vertrete die Auffassung, dass das Scheitern des Wohlfahrts- und Wohlfühlstaates nicht wegen eines erfolgreichen «Aufstands der Minderheit von Freiheitsliebenden» zu erwarten ist. Er scheitert an der nachhaltigen Finanzierbarkeit, weil er – in Kombination mit dem Mehrheitsprinzip rein ökonomisch – ein «Fass ohne Boden» ist. Unsere Chance als Freiheitsfreunde ist die Ökonomie und nicht die Ideologie.
Meine Hoffnung beruht darauf, dass sich auf längere Sicht die doch sehr weit verbreitete Friedensidee durchsetzen wird, die so etwas wie die «kleine Freiheit» mit sich bringt auf der Basis von Peace, easy taxes and tolerable justice (Adam Smith), in dieser Reihenfolge und ohne übertriebenen Freiheits- Verantwortungs- Leistungs- und Spar-Pathos. Aus dieser Sicht ist die Schweiz tatsächlich eine «Vorläuferin» und kein Relikt.
Ich finde es im Gegensatz zu vielen Wertkonservativen nicht so schlimm, wenn sich auch hierzulande unter Jungen ein gewisser Hedonismus breit macht, in dem die Musse, die Spontanität und die «Selbstverwirklichung» im kleinen Kreis Priorität hat, solange das alles nicht auf Kosten anderer geht. Die heroische Zeit der «Opferbereitschaft» und des vorbehaltlosen Leistungs- Karriere- und Sparwillens (auch der Freiheitsfreunde) für «das längerfristige Wohlergehen aller» ist vorbei und ich trauere ihr (trotz meiner 1500 Diensttage in der Armee) nicht nach.
Ich sehe die Mission der strikt Liberalen heute darin, dieses Gedankengut zu bewahren und zu kultivieren und in einer Zeit der Unpopularität durchzuhalten und die hochmütigen gross- und weltstaatlichen Gegenideologien zu entlarven.
Das habt ihr in Euern Beiträgen vorbildlich gemacht und es gibt weder einen Grund zum Richtungswechsel, noch zum Aufhören, noch zur Resignation. Gut Ding will Weile haben.
Ich zitiere abschliessend aus meinem ersten Artikel, der 1966 vor über 50 Jahren in der «Liberalen Zeitung», die es längst nicht mehr gibt, publiziert worden ist:
«Was mich persönlich an der Politik interessiert, ist gerade das Spannungsfeld zwischen dem, was man will, und dem, was sich nachträglich als möglich erweist. Das Denken braucht man, um zu wissen, was man verändern will – was geändert werden kann, liegt ausserhalb dieses Bereiches. Um dieses Spannungsfeld zu ertragen und trotzdem noch etwas leisten zu können, braucht es wohl allerdings eines der vom Chefredaktor Rudolf Schilling verschriebenen Mittel: Geduld.
Hoffentlich nicht in einer Überdosis, die so leicht zu der heute typisch europäischen und helvetischen Resignation führt.»
Heute füge ich hinzu: «Nöd lugg loh gwünnt»-