(Leserbrief: Der Bund, Donnerstag 11. März 1999, S. 12)
In ihrem Interview des Berner «Bund» mit der Bundesratskandidatin Ruth Metzler (vom Montag, den 1. März) vertreten die beiden Interviewer die aus der etatistischen Linkspresse stammende These des «Steuerdumpings» (ein Wortmonster, das heute offensichtlich auch in bürgerlichen Zeitungen ohne Anführungszeichen verwendet wird!). Die Finanzdirektorin des Kantons Appenzell Innerrhoden wehrt sich dagegen geschickt und in einer Art, wie man es selbst von bürgerlichen Politikerinnen und Politikern nur selten hört. Hut ab, vor dieser klaren Zurückweisung einer populären aber höchst fragwürdigen Argumentation! Am Beispiel der Schweiz lässt sich zeigen, dass die These der «öffentlichen Verarmung» durch «ruinöse Steuerkonkurrenz» nicht zutrifft. Wenn wir mit unseren fiskalisch zentralisierten Nachbarländern vergleichen, stellen wir fest, dass von einer Unterversorgung bezüglich öffentlicher Ordnung und Infrastruktur keine Rede sein kann. Sie ist um so unwahrscheinlicher, als ja bei Steuerkonkurrenz dauernd auch Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Gebietskörperschaften bestehen, welche eine Nachfrage nach solchen Gütern besser befriedigen. Auch diesbezüglich konkurrieren die Gebietskörperschaften. Für erwünschte, knappe und notwendige öffentliche Güter lassen sich Stimmbürger und Steuerzahlern nämlich durchaus auch zu Steuererhöhungen motivieren, d.h. man ist bereit, dann höhere Steuern zu bezahlen, wenn man dadurch tatsächlich die gemeinsame Lebensqualität erhöhen kann. Der hier skizzierte polit-ökonomische Zusammenhang darf allerdings nicht durch gut gemeinte Ausgleichszahlungen (interkommunaler, interregionaler und internationaler Finanzausgleich, Förderungs- und Strukturfonds aller Art) gestört werden. Je direkter die Demokratie ist, desto stärker wird der Zusammenhang von Steuer und Gegenleistung wahrgenommen und gegenüber den Behörden, die gleichzeitig Steuern erheben und Infrastruktur bereitstellen, zum politischen Thema gemacht. Der mündige Steuerzahler ist in diesem Fall mit dem mündigen Bürger identisch, welcher dauernd kritisch das Preis/Leistungsverhältnis der von ihm gewählten Behörden überwacht, Sparsamkeit und Transparenz fordert und fördert, und auf zu hohe Steuerbelastung sowie auf Unterversorgungen aller Art politisch empfindlich reagiert. Es wäre nur zu wünschen, dass diese appenzellischen Erfahrungen auch auf eidgenössischer Ebene vermehrt Beachtung fänden.
Robert Nef, St.Gallen
Kommentar zu diesem kurzen, unscheinbaren Text, der sehr wahrscheinlich die äusserst knappe Wahl entschieden hat. Ich habe ihn damals unmittelbar vor der Wahl einigen mir bekannten FDP Nationalräten zugestellt, die mir geantwortet haben, mein Leserbrief habe sie dazu bewogen, für Ruth Metzler zu stimmen.