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Bundesverfassung und Kulturkampf

Lesedauer: 2 Minuten


(Schweizer Monatshefte – Heft 2, 1999 – Seite 46)

BUCHHINWEIS

Peter Stadler, Der Kulturkampf in der Schweiz, erweiterte durchgesehene Neuauflage, Chronos, Zürich 1996.

Peter Stadlers 1984 erschienene Monographie über den Kulturkampf ist mehr als nur ein Klassiker über die für die Eidgenossenschaft so bedeutsame Zeit zwischen der Gründung des Bundesstaates und der Bundesrevision von 1873/74. Sie ist ein eigentliches Schlüsselwerk zum Verständnis des Konkordanzprinzips und zum Prozess der politischen Integration schlechthin. Das seit vielen Jahren vergriffene Buch ist nun, ergänzt durch ein substanzreiches Nachwort zum derzeitigen Forschungsstand, in einer Neuauflage erschienen. Es verdient im Vorfeld der Abstimmung über die «nachgeführte» Bundesverfassung besondere Beachtung. Wer zur Kenntnis nimmt, mit welch kämpferischem Engagement und mit welchem Ernst fürs Grundsätzliche die letzte Bundesrevision diskutiert worden ist, wird sich im unguten Gefühl bestärkt finden, das sich mit dem Entscheidungsprozess um das aktuelle Revisionsprojekt verbindet. Die 99er-Verfassung wird im Eiltempo ohne eine vertiefende Auseinandersetzung als lustlose Pflichtübung der «Classe Politique» übers Knie gebrochen, und, wenn nicht alles täuscht, von einer Mehrheit gutgeheissen, welche sich nicht einmal die Mühe nimmt, den Text kritisch durchzusehen: Ein mehr oder weniger zufälliges politisches Ereignis, ein etwas verspätetes Produkt eines vom Dezimalsystem «diktierten» Jubiläums, das man als «Abschiedsgeschenk» an einen verdienten Magistraten wahrnimmt, und dem man keine einschneidenden Folgen beimisst – möglicherweise zu Unrecht. Wenn die politische Kultur darniederliegt, und wenn der Srellenwert religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen rapid schwindet, gibt es auch keine Kulturkämpfe mehr und auch keine Debatten über Grundsatzfragen des Gemeinwesens. Stadlers Darstellung verdient nicht nur aus historischem Interesse, sondern aus aktuellem Anlass Beachtung. Die Schweizerische Eidgenossenschaft, der vielfältig gefeierte, aber abnehmend geschätzte Bundesstaat, kann nur dann ein Beispiel für geglückte Integration bleiben, wenn die Kräfte, die sich integriert haben, nicht in jener PseudoToleranz verschwinden, welche lediglich ein privatistisches und globalistisches Desinteresse an der «res publica» zum Ausdruck bringen.

Schweizer Monatshefte – Heft 2, 1999 – Seite 46

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