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Libertad! Carajo! – ein Widerspruch?

Lesedauer: 2 Minuten


(Nebelspalter, 24. Februar 2025)

Mit «Viva la libertad, carajo!» beendet der argentinische Präsident Javier Milei seine Reden.

 

Die Königliche Spanische Akademie (RAE) gibt dem Wort «carajo» bestimmte Verwendungsmöglichkeiten, die auf Überraschung, Ablehnung, die Abwertung von jemandem oder etwas, etwas Intensives oder etwas, das ein schlechtes Ende nehmen wird, hinweisen, neben anderen, weniger häufigen Verwendungsmöglichkeiten.

Das Übersetzungprogramm «Deepl» empfiehlt für «Libertad. Carajo» auf Englisch «Freedom. Fuck» auf Deutsch «Freiheit, verdammt nochmal», auf Französisch «Liberté, merdre», alles grobe Flüche, die mit man als Freund der Freiheit ungern akzeptiert. Auf Schweizerdeutsch wird der Ausdruck «i eim Garacho» auch im Zusammenhang mit hohem Tempo verwendet.

Für jeden Freund der Freiheit und der Spontanität ist es daher verlockend, nach dem etymologischen Ursprung des Wortes «carajo» zu forschen. Dabei stösst man auf Erstaunliches.

Auf den Segelschiffen der Seefahrernation Portugal war der «carajo» eine Art Holzkorb, der hoch über dem Hauptmast angebracht war. Von dort aus hatte man den Weitblick auf den Ozean und konnte allfällige Gefahren und Hindernisse erkennen und den Kapitän rechtzeitig warnen. Aufgrund des Wellengangs und der Schiffsbewegungen war man oben am Mast allerdings dem Schwindelgefühl besonders stark ausgesetzt. Aus diesem Grund war der Mastkorb kein besonders angenehmer Ort. Der Posten des Beobachters und Warners oben am Mast war extrem unbeliebt. Niemand wollte freiwillig auf den «carajo», und man wurde zu diesem Posten verknurrt.

Korb am Masten

 

Hier zeigt sich die Beziehung zwischen dem Wort „carajo“ und seiner umgangssprachlichen Verwendung als verstärkendes Kraftwort. Der Kapitän verhängte den Posten als Sanktion gegen Matrosen, die negativ auffielen. Sie mussten nicht in die Kajüte, sondern auf den Holzkorb, oben am Mast, eben auf den «carajo».

Wenn der Kapitän jemanden als Strafe «zum Teufel schickte», also in den Holzkorb hoch am Mast, rief er «Carajo!», und so wurde das Wort zum Fluch.

Im Laufe der Zeit und im Einklang mit den verschiedenen Regionalismen in der spanischen Sprache hat sich das Wort «carajo» gewandelt und wird nicht nur verwendet, um eine bestimmte Person wegzuschicken, sondern auch, um sich auf etwas zu beziehen, das keinen Wert hat (no vale un carajo) oder auf eine Situation, die nicht wichtig ist (me importa un carajo).

Auf diesem Hintergrund macht die Verknüpfung von Libertad und Carajo, mit der der argentinische Staatspräsident Milei oft seine Voten abschliesst, doch noch Sinn. Freie Menschen brauchen Weitsicht und müssen ständig vor den Gefahren eines falschen Kurses warnen. Und deshalb müssen sie auf dem exponierten Mastkorb auch immer wieder Schwindelgefühle, Unannehmlichkeiten, Beschwernisse auf sich nehmen: Libertad! Carajo!

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