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Immer weniger Weitsicht

Lesedauer: 2 Minuten

(Leader November/Dezember 2022, Seite 10)


Der zynische Satz des britischen Ökonomen Keynes, dass wir auf lange Sicht alle tot seien, hat das langfristige unternehmerische Denken diskreditiert.

Aktiengesellschaften wirtschaften nicht im Hinblick auf eine nächste Generation, sondern auf den
aktuellen Erfolg an der Börse. Sie resignieren vor den politischen Realitäten und passen sich im Zweifelsfall an, statt um jene unternehmerische Freiheit zu kämpfen, die längerfristig im Interesse aller liegt. Aber gibt es wenigstens weitsichtige Politik?

Auch dort ist Weitsicht selten. Die meisten Politiker schauen zunächst einmal auf die aktuelle Stimmungslage im Hinblick auf die Wahlen und nicht auf kommende Generationen. Die Wirtschaft ist heute um einiges staatsabhängiger, als es auf den ersten Blick erscheint. Man ist heute unter Unternehmern theoretisch und idealerweise durchaus für «Mehr Markt», aber man akzeptiert das kontinuierliche Staatswachstum und hält es vielerorts – mindestens kurzfristig – für unausweichlich.

Tatsächlich bewirtschaften viele Unternehmen (vor allem grosse!) nicht mehr das Ideal offener Märkte, sondern den real existierenden Deal zwischen Staat, Wirtschaft und Medien in einem Geflecht wirtschaftspolitischer und fiskalischer Regulierungen, Abkommen und Kompromisse. Man versucht dabei, allerseits (und mindestens für die nächsten Jahre) noch möglichst viel herauszuholen.

Inzwischen wächst und wächst der Staat und behindert jene wirtschaftlichen Entwicklungen, die für eine nachhaltige Finanzierung notwendig wären. Das kann im Hinblick auf die Zukunft von Wirtschaft, Staat und Umwelt nicht gut enden. Aber auch Politiker sind auf lange Sicht tot, und sie denken meist noch kurzfristiger als staatsnahe und staatsabhängige Unternehmer.

Robert Nef, Publizist St.Gallen

Leader November/Dezember 2022, Seite 10

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