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Lerntheorie ist wichtiger als Wettbewerbstheorie

Lesedauer: 2 Minuten

(Leader – August 2021, Seite 71)

Leistungssport und sportlicher Mannschaftswettkampf spielen heute im Alltag und in den Medien eine grosse Rolle. Es geht um Ranglisten und ums Gewinnen, und wo es Gewinner gibt, gibt es auch Verlierer.

Die Sieger im Sport werden aufgrund weniger ausgewählter Kriterien ermittelt. Im ökonomischen Wettbewerb hingegen stossen vielfältige Angebote auf vielfältige Nachfragen, bei denen eine Vielfalt von Motiven eine Rolle spielen: Die einen suchen das günstigste, die andern das schnellste und wieder andere das sicherste Auto.

Die Anhänger des Wettbewerbs gehen davon aus, dass es auch in der Wirtschaft so etwas wie einen «Kampf ums Überleben» gibt, der mit dem sportlichen Wettkampf, bei dem Verlierer ausscheiden, verglichen werden kann. Dass ein Unternehmer, der immer auf einem besonderen Segment konkurriert, vom Bild des sportlichen Siegens und Verlierens ausgeht, ist durchaus verständlich. Aber der gute Unternehmer ist nicht der ewige Sieger, sondern derjenige der aus Erfolgen und Misserfolgen optimal lernt und damit «spielend» umgeht.

Ich halte den von Joseph Schumpeter eingeführten Begriff der «schöpferischen Zerstörung» für verfehlt. Es geht im Leben nie um das Zerstören, sondern um das Lernen im Sinn der gegenseitigen Anpassung an Bedürfnisse und Veränderungen. Was sich nicht bewährt, muss gar nicht zerstört werden. Es verschwindet wie bei der biologischen Selektion. Es wird einfach vergessen und man soll ihm nicht nachtrauern.

Siegen ist nicht immer die beste Option. Meine These: Man kann aus Misserfolgen mehr lernen als aus Erfolgen, weil Letztere häufiger auf Glück und Zufall beruhen als Erstere auf zufälligem «Pech», bzw. «Pech» ist möglicherweise leichter analysierbar als Glück. Der aktuell Markbeherrschende wird dazu verleitet, auf seinem Erfolg auszuruhen und auf das oft schmerzhafte Lernen zu verzichten. Das ist die Chance der Lernbereiten, die nicht «schöpferisch zerstören», sondern die den Mut haben, neue Ideen und Angebote zu lancieren und auch bei anfänglichen Misserfolgen nicht aufgeben, sondern daraus die richtigen Lehren ziehen.

Robert Nef, Publizist, St.Gallen

Leader – August 2021, Seite 71

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