(Leader – März 2021 – Seite 23)
Im Zusammenhang mit der Pandemie-Politik wurde immer wieder der «Kantönligeist» kritisiert. In Krisensituationen mag eine einheitliche Regelung Vorzüge haben – aber nur, wenn vergleichbare Verhältnisse vorliegen.
Gleiches muss gleich, aber Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt werden. Das ermöglicht Vergleiche und gegenseitiges Lernen. Der allgemeine Trend läuft heute auch ausserhalb von Pandemiezeiten leider in die Richtung von immer mehr Zentralisierung. Oft handelt es sich um eine fast blinde Flucht in den Zentralismus, ein eigentlicher Kult, der auf immer zentraleren Vorschriften und Verteilungsregeln beruht.
Zentralisierung wird nicht nur von machthungrigen Regierungen und Verwaltung vorangetrieben. Sie beruht auch auf einem Mechanismus des gezielten Abschiebens aller politischen Kosten nach oben, während man den politischen Nutzen des Verteilens und Umverteilens in der Hand behalten möchte. Man nennt das üble Spiel in der Wirtschaft «Kollektivierung der Kosten und Privatisierung der Nutzen». Das Steuersystem setzt solchen Entwicklungen allerdings enge Grenzen.
Das Gegenprinzip dazu ist die Subsidiarität, die verlangt, dass öffentliche Aufgaben und deren Finanzierung auf der tiefstmöglichen Stufe wahrgenommen werden. Das Subsidiaritätsprinzip ermöglicht die bürgernahe Lösung und Finanzierung öffentlicher Aufgaben. Es handelt sich um ein sehr ökonomisches Verfahren, denn es geht nicht nur um die Abgrenzung von lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Politikebenen, sondern primär um die Abgrenzung von «privat» (kommerziell, familienbezogen und karitativ) und «staatlich» (zwangsweise).
Vielleicht gibt es eine Fortsetzung des Subsidiaritätsprinzips im privaten Bereich, die man so formulieren könnte: So wenig Zwang und so wenig Staat wie möglich, so viel einvernehmlichen wirtschaftlichen Austausch wie möglich und – ergänzend – so viel innerfamiliäre, nachbarschaftliche und karitative Unterstützung wie verkraftbar. Das ist nicht rückständig, sondern fortschrittlich.
Quelle: https://www.leaderdigital.ch/documents/ausgaben/maerz_leader-2021_web_beide.pdf