Zum Inhalt springen

Entlarvung der Politik und ihre Reduktion auf das Not-Wendende

Lesedauer: 4 Minuten

(Frankjordanblog)

Von Robert Nef

Die medial massendemokratisch gesteuerte Politik ist in den USA an jenem Punkt angelangt, der schon von Aristoteles als notwendige Degenerationsform der Demokratie beschrieben worden ist: Bei der Ochlokratie, bei der Herrschaft des aufgebrachten und propagandistisch aufgemischten Pöbels. Die Grenze zur Lächerlichkeit ist in den USA schon lange vor Donald Trump überschritten worden. Man denke nur an die Nixon-Tonbänder mit ihrem Gefluche und an die Fellatio unter dem Schreibtisch des «Oval Office» im «Weissen Haus». Lässt sich «Politik» als «das gemeinsam bewegliche Lösen gemeinsamer Probleme» überhaupt noch retten, oder wird sie jetzt einfach schrittweise der Lächerlichkeit preisgegeben?

Diese Entwicklung kommt für mich als Freiheitsfreund und Weniger-Staat-Forderer überhaupt nicht überraschend. Ich frage mich schon lange: Gibt es tatsächlich so viele gemeinsame Probleme, die nur in Zwangsgemeinschaften gemeinsam lösbar sind? Sind nicht die angeblichen Problemlöser selbst das Problem? Braucht es mächtige Präsidenten, Vorsitzende, Stäbe, Ausschüsse und hoch bezahlte nationale und internationale Kommissionen, die sich für viel Geld gegenseitig selbst beschäftigen? Wäre es nicht viel besser und friedensstiftender, wenn Probleme unter den Betroffen und Beteiligten direkt vertraglich-verträglich oder höchstens genossenschaftlich ausgehandelt und vereinbart würden?

Für mich ist klar: Politik muss auf das absolut Not-wendige (zivile Ordnung und gemeinsame Landesverteidigung gegen Aggressoren) reduziert werden. Alles andere kann konsensual oder lokal geregelt werden. Für einen geordneten Rückzug aus aktuellen Fehlstrukturen lassen sich allerdings keine Mehrheiten finden, weil diese sich ja selbst in eine immer grössere Staatsabhängigkeit hineinmanövriert haben.

Wer Mitmenschlichkeit und Hilfsbereitschaft an die staatlichen Bürokratien delegiert, riskiert, dass die individuelle Bereitschaft dazu verkümmert. Zentral und radikal abschaffen lässt sich keine Politik und vor allem keine Umverteilungspolitik, solange Mehrheiten vital von ihr abhängig sind und die Hauptlasten von Minderheiten getragen werden. Ein Ausstieg aus der Umverteilungs- und Bevormundungspolitik muss an der immer offensichtlicher werdenden Unbezahlbarkeit anknüpfen, und diese wird zunächst in kleineren Gebietskörperschaften wahrgenommen. Dort reagieren die Betroffenen zunächst mit der Exit-option und suchen sich einen Wohnsitz, an dem das öffentliche Kosten-Nutzenverhältnis besser stimmt. Der fiskalische Wettbewerb zwischen Gebietskörperschaften ist das einzige Mittel, das die Systemmängel der Kombination von progressiver Besteuerung und demokratischer Mitbestimmung überwinden hilft.

Die entscheidende Abstimmung ist nach dem Modell des Non-Zentralismus die Abstimmung mit den Füssen. Man sucht sich als Lebensmittelpunkt jenes Umfeld, das einem vertraut ist und, alles in allem, am wenigsten Nachteile hat. Häufig ist dies der Ort oder das Gebiet in dem man geboren wurde oder aufgewachsen ist. Aber längst nicht immer. Wenn man die Gemeinschaft, in die man hineingeboren wurde, nicht mehr erträgt und keine Chancen einer Veränderung sieht, muss der Weg zur Auswanderung offenstehen. Aber in diesem Fall muss man eine Gemeinschaft finden, die Zuwanderer unentgeltlich oder gegen eine Aufnahme- oder Aufenthaltsgebühr mindestens toleriert.

Moderate Steuern müssen nicht unbedingt als «feindseliger Raub» gedeutet werden. Man kann darin auch eine Art von Benutzungspauschale und Mitgliederbeitrag sehen. Je kleinräumiger und vielfältiger die politische Landschaft ist, desto weniger einschneidend ist ein Wohnsitzwechsel. Die politische Gemeinschaft wird so wieder zu jener Körperschaft, die über die Aufnahme von Mitgliedern und die über Clubbeiträge entscheidet. Ob es dazu Mehrheiten, qualifizierte Mehrheiten oder Zustimmung ohne Gegenstimme braucht, können die Gebietskörperschaften in Abwägung der Vor- und Nachteile von Öffnung und Abschottung selbst bestimmen.

Dann kommt es zu einem öffentlichen Wettbewerb um die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Volksbeglücker, Wohlfahrts-Förderer, Hochbesteuerer, Umverteiler, Dealmaker und Schuldenmacher einerseits und jener, die dies entlarven, anderseits. Im Andersen Märchen «Des Kaisers neue Kleider» wird das Lügengewebe der kaiserlichen Kleidermacher durch einen kleinen Jungen entlarvt. Obwohl man verkündet hatte, dass nur intelligente Leute das neue Kleid sehen könnten, rief der Junge in die Menge: Der Kaiser ist nackt! Damit war der Bann gebrochen und der Kaiser der Lächerlichkeit preisgegeben. Der kleine Junge wurde dadurch nicht selbst zum Kaiser, aber er hatte des Kaisers Dummheit und die Macht seiner Kleidermacher entlarvt und damit auch, mindestens für eine gewisse, Zeit entgiftet.

Dass freche kleine Kinder (oder solche, welche diese Rolle übernehmen) überall und für immer aussterben, ist unwahrscheinlich. Kinder sind gerne möglichst frei und ungegängelt, und die Anpassung an alle Wünsche der Erwachsenen gelingt glücklicherweise nie vollständig. Der Drang zu mehr Freiheit und Unabhängigkeit muss nicht anerzogen werden. Das ist tröstlich, vor allem wenn man diese Erwartung mit dem Abraham Lincoln zugeschriebenen Satz kombiniert: «Man kann einige Leute für alle Zeit und alle Leute für einige Zeit zum Narren halten, aber nicht alle Leute für alle Zeit». Bis zur Entlarvung der zentralen und korporatistischen Machtpolitik mag es in den USA und auch anderswo noch eine Weile dauern. Sie wird heute vielerorts durch einen Wall von regierungs- und systemtreuen und – abhängigen Medien und von staatlich finanzierten Wissenschaftlern und politisch vernetzten Verbandsmanagern und Lobbyisten geschützt. Machtentlarvung hat in kleinen Gemeinschaften mehr Chancen als in grossen, weil sich dort Menschen besser kennen und leichter durchschauen.

Solange es Kriege gibt, braucht es Politik, und solange es Politik gibt, besteht Anlass zum Krieg. Wer Frieden stiften will, sollte aber Kriege eindämmen und nicht verewigen. Lokale Kriege ersticken im eigenen Blut, wenn sie nicht durch Eingriffe von aussen immer wieder aufflammen. Man nennt zwar diese verderbliche Unterstützung von aussen allerseits Hilfe im Kampf um die wahre Gerechtigkeit, aber auch das ist eine der klassischsten politischen Lügen. Neutralität gegenüber Kriegführenden und konsequente Nicht-Einmischung ist kein Zeichen von Feigheit, sondern ein Beitrag zum Frieden.

Wenn kein globaler Krieg dazwischenkommt, der zu einer Renaissance von militärischen Grossmächten führt, ist das hier skizzierte optimistische Szenario der Machtentlarvung durch ihre Preisgabe an die Lächerlichkeit nicht ganz unwahrscheinlich. Wer lieber entmündigt ist und sich andern unterwirft um als Gegenleistung von der Wiege bis zur Bahre kollektiv versorgt werden, mag dies weiterhin tun und sich einer entsprechenden Körperschaft anschliessen, jedoch nicht auf Kosten von Menschen, die das nicht wollen. Migration ist erlaubt und erwünscht, aber die Ansässigen formulieren gegenüber Zuwanderern die Minimalbedingungen einer Aufnahme und Integration. Das führt nicht zur Konfliktlosigkeit, aber zu einem einigermassen friedlichen Ausstieg aus dem grossen Debakel.

Quelle: https://frankjordanblog.wordpress.com/2020/10/29/entlarvung-der-politik-und-ihre-reduktion-auf-das-not-wendende/

Schlagwörter:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert