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Was kann man heute noch für die Freiheit tun?

Lesedauer: 3 Minuten


(Weltwoche / Essay)

Der Staat sucht sich laufend neue Aufgaben. Am gefährlichsten sind die unzähligen Formen der Zentralisierung. Man muss aufpassen, dass man nicht vereinnahmt wird.

Wie haben sich echte Freunde der Freiheit angesichts der real existierenden Macht des real existierenden Staates zu verhalten? Kapitulieren, schrittweise Verbesserungen postulieren, einen «geordneten Rückzug aus Fehlstrukturen» fordern, «Warten auf den Zusammenbruch» oder diesen durch aktiven Widerstand beschleunigen? Gibt es gegenüber der Staatsgewalt graduelle «dritte Wege» zwischen totaler Anpassung und totalem Widerstand?

Es gibt in der Tat eine philosophische und auch eine politische «Bandbreite», innerhalb deren sich selbstbewusste Eidgenossen, liberale Befürworter des Ordnungsstaates, libertäre Staatsskeptiker und zivilrechtsgesellschaftliche Staatsopponenten bei allen Unterschieden durchaus verbünden können, ohne ihre eigenen Idealvorstellungen zu verraten. Es gibt in der Politik auch eine durchaus bürgerliche Verbindung aufgrund gleicher Gegnerschaft, die nicht unbedingt einheitliche Zielvorstellungen voraussetzt.

Erzwungene Verbrüderung

Man kann als Freiheitsfreund wenigstens gegen jeden weiteren Staatsausbau und jede weitere Zentralisierung ankämpfen. Politische Macht lässt sich nicht problemlos abschaffen, sie lässt sich aber in kleine territoriale und institutionelle Stücke zerlegen, die sich gegenseitig konkurrenzieren, kontrollieren, entgiften und – wenigstens teilweise – Exit-Optionen, alternative wählbare Vernetzungen und Lernprozesse durch Vergleich ermöglichen. Und, was ganz wichtig ist: Man kann – auch als Klassisch-Liberaler – nicht genug vor der Gefahr der grossen zentralen, korporatistischen Verbrüderung von Big Government, Big Business und Big Data im kontinentalen oder globalen crony capitalism warnen.

Natürlich wird diese Verbrüderung teilweise recht brutal von der real existierenden Staatsmacht erzwungen, aber diese Macht ist nur darum so erfolgreich, weil auf der anderen Seite die opportunistische Bereitschaft zur Kooperation mit dem Staat zunehmend vorhanden ist. Vor allem von der «organisierten Wirtschaft» wird sie als «Weg der Vernunft» und als alternativlose «Anpassung an Sachzwänge» in einer real existierenden etatistischen second-best-Welt angepriesen.

Die politische Flucht in den grösseren Verband, bei der mehr an Selbstbestimmung verlorengeht als an Freiheit gewonnen wird, ist leider auch für viele Liberale eine beliebte Option, weil man damit einerseits temporär wirtschaftliche Vorteile herausholt und anderseits einen Teil der politischen Verantwortung nach oben abschieben kann, nach dem Motto: Die Zentrale wird’s schon richten. Da machen heute leider relativ bedenkenlos auch Ordoliberale und Klassisch-Liberale und andere Bindestrich-Liberale fröhlich mit, und das freiheitsbewusste Einstehen für Eigenständigkeit wird aus dieser Sicht als «nationalkonservatives Anliegen» diffamiert.

Die EU ist heute für viele Deutsche, auch für Liberale, sozusagen die Ersatznation, mit der man sich identifiziert – und dabei im Stillen hofft, eine Führungsrolle spielen zu können. Bekenntnisse wie «Germany first», oder «Ich bin stolz, Deutsche(r) zu sein» sind heute in Deutschland historisch diskreditiert, also ist man stolz auf das Europäertum und die Zugehörigkeit zur EU. Wie «freiheitlich» diese unterwegs ist, bleibt sekundär. Aus liberaler Sicht sollte man aber stolz sein auf den Rest an Freiheit, der uns als Menschen noch bleibt, und darauf hinwirken, dass dieser im unmittelbaren Umfeld, das man gemeinsam noch beeinflussen kann, grösser und nicht kleiner wird. Das Motto im Wappen des Kantons Waadt («Liberté et Patrie») kann durch eine kleine Änderung kosmopolitisch umgedeutet werden: «Liberté est Patrie».

Was gibt es für Mittel gegen die Zentralisierung und die wachsende Staatsmacht, die auf einem breitabgestützten und oft blinden Glauben an den Staat und zentralisierte Institutionen beruht? Es gibt kein Patentrezept. Zu propagieren ist ein beharrliches Nein zu weiteren Zusammenschlüssen, ein schrittweiser Ausstieg aus grenzenloser Umverteilung und Verschuldung, eine Entziehungskur, die umso realistischer ist, je kleiner die politischen Körperschaften sind, die das Experiment wagen.

«Kreative Dissidenz»

Staatsmacht ist – insoweit sie auf blindem Glauben beruht – stets angemasste Macht. Ein wirksames Mittel gegen angemasste Macht ist auch der Humor. Was einmal als lächerlich entlarvt ist, hat – mindestens zunächst einmal – keine Macht mehr. «Man kann stets alle für eine begrenzte Zeit und einige für alle Zeit, aber nicht alle für alle Zeit zum Narren halten», meinte Abraham Lincoln einst treffend. Dafür sorgen alle spontanen Individuen, welche die allgemeine Heuchelei nicht mitmachen. Nach jeder Blossstellung angemasster Macht tauchen indessen wieder neue Scharlatane auf mit neuen, noch nicht entlarvten Versprechungen und Verheissungen. Das ist die Schattenseite der Machtpolitik. Gibt es eine andere? Der Schlüsselbegriff für den freiheitlichen Umgang mit der Staatsmacht ist die «kreative Dissidenz», die sich mit Fantasie, Unternehmergeist und Humor beharrlich für Formen des zivilisierten Zusammenlebens auf der Basis freier Vereinbarungen einsetzt.

Robert Nef ist Publizist und ehemaliger Leiter des Liberalen Instituts.

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