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Engagiert und stets offen, den Horizont zu erweitern

Lesedauer: 3 Minuten

(St. Galler Tagblatt, 25.09.2019)

Nachruf auf Markus Rauh, 23.09.1939 – 19.09.2019

Markus Rauh war immer stolz auf die vielen Berge in aller Welt, die er bestiegen hat, und auch in seinem Berufsleben hat er viele Gipfel erklommen. Hervorgehoben sei hier nocheinmal sein Wirken als CEO bei Leica in Heerbrugg und bei der Swisscom, wo er als Präsident den Börsengang und die Teilprivatisierung verantwortete. In diesem Nachruf aus der Feder eines seit der Schulzeit verbundenen Freundes sollen aber auch noch andere Facetten seines reichen Lebens in Erinnerung gerufen werden. Die Stichworte dazu sind: Familienmensch, treuer Freund, engagierter Förderer kultureller und sozialer Institutionen, Festveranstalter, Weltreisender und passionierter Gärtner, und in all diesen Rollen bewährte sich seine nie erlahmende Lebenskraft und seine Lernbereitschaft. Er blieb bis in die letzten Stunden standhaft und «gwundrig» im Sinne der Offenheit für alles Kommende und für alles Wunderbare im Leben.

Die Familie war für ihn nicht einfach ein Ort der Geborgenheit und des Rückzugs aus der Hektik des Berufsalltags, sondern eine Herausforderung zur Bewährung in guten und in schwierigen Zeiten. Seine betagte Mutter besuchte er bis ins höchste Alter, und als Ehemann und Vater war auf ihn Verlass. Als Freund wahrte er seinen Jugendfreunden aus der Studentenverbindung Rhetorika die Treue. An seinen Überzeugungen hielt er fest, aber er war stets auch bereit, Gegenmeinungen ernst zu nehmen und daraus zu lernen. Parteipolitik war nicht seine Sache, aber das Wirken für die grössere Gemeinschaft prägte vor allem sein Leben nach dem Rücktritt als Top-Manager.

Sein Engagement in sozialen und kulturellen Belangen sprengte den üblichen Rahmen. Er unterstützte Organisationen nicht nur finanziell, sondern stellte ihnen seine ganze Schaffenskraft, sein Organisationstalent und seine Beziehungsnetze zur Verfügung. Für ein solches Engagement braucht es mehr als nur Enthusiasmus und Idealismus. Es braucht jene Mischung von Optimismus und Realismus, die ihm eigen war. Markus Rauh blieb stets auf dem Boden der Realität, aber er nahm die Realität nie einfach als gegeben hin, sondern nutzte seine Möglichkeiten, um sie positiv zu beeinflussen. Er neigte auch nicht dazu, seinen Einfluss zu überschätzen.

Zusammen mit seiner Frau hat er immer wieder unvergessliche Feste organisiert, bei denen alte Freundschaften aufgefrischt und neue Bekanntschaften zwischen Alt und Jung ermöglicht wurden. Ein wichtiger Lebensinhalt für das Ehepaar Rauh waren die zahlreichen gemeinsam vorbereiteten und nachher auch ausgewerteten Reisen, die nie ausschliesslich dem Vergnügen und der Entspannung dienten, sondern stets auch der lebensbegleitenden Horizonterweiterung.

Eine kaum zu überschätzende Rolle spielte für Markus Rauh sein Garten, den er mit grosser Hingabe und mit viel Zeitaufwand pflegte. Hinter dem Ingenieur steckte auch ein Gärtner, der die Grenzen der Konstruierbarkeit kennt. Ein Garten braucht Geduld und lehrt den Gärtner, dass im Garten längst nicht alles machbar ist. Blumen muss man blühen lassen und zum Blühen bringen. Man kann die Natur beobachtend begleiten, sorgsam lenken und im besten Sinn kultivieren, zwingen lässt sie sich nicht. Fast jeder Besuch in Mörschwil startete mit einem kleinen Gartenrundgang, bei dem man über den Garten und die Gärtner etwas lernen konnte.

Das letzte Stichwort dieser Erinnerungen ist die lebenslange Lernbereitschaft von Markus Rauh. Er war an der Universität Zürich noch als Studierender der Geschichte eingeschrieben, und dieses Studium hat ihn bis in die letzten Lebenstage beschäftigt. Bei meinem Besuch im Kantonsspital, bei dem wir beide nicht wussten, dass es der letzte war, haben wir über eine Stunde über die Stärken und die Schwächen des Islam gesprochen, da er über dieses Thema im Rahmen seines Studiums noch eine Arbeit verfassen wollte. Als Stärke bewerteten wir übereinstimmend die Tatsache, dass der Islam keinen anspruchsvollen, verschwenderischen Totenkult kennt.

Das war der Abschied von einem Kämpfer, der nie kapitulieren wollte. Ein Mensch, der beharrlich nicht aufgibt, ist aber nicht zu verwechseln mit einem Menschen, der seine Grenzen nicht kennt. Ein wahrer Kämpfer kämpft gegen Widerstände und nicht gegen Widersacher, und er zeichnet sich dadurch aus, dass er auch Niederlagen und Rückschläge akzeptiert, weil im Leben nie immer alles nach Wunsch läuft. Markus Rauh war kein unbelehrbarer Optimist, sondern ein Realist mit Idealen und Hoffnungen und mit einem unbeirrbaren Glauben an diese Welt, trotz dieser Welt. So werden wir ihn in Erinnerung behalten.

Robert Nef

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