Zum Inhalt springen

Abschied von den Zwangsgebühren

Lesedauer: 4 Minuten

(NZZ – MEINUNG & DEBATTE – Montag, 1. Februar 2018, Seite 9)

No-Billag-Initiatives
Die Volksinitiative «Ja zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren» («No Billag») hat zu einer breiten medienpolitischen Debatte geführt. Das ist gut so. Die Befürworter wollen die Gebührenpflicht abschaffen. Die Gegner mahnen, ein «Lichterlöschen» bei der SRG schade dem Zusammenhalt der Schweiz.

Gastkommentar von ROBERT NEF

Eigenständige und unabhängige Menschen bezahlen alles, was sie konsumieren, am liebsten selbst. Das wäre auch für die Finanzierung des Radio- und Fernsehkonsums die freiheitlichste Lösung: Die Kunden bezahlen aufgrund ihrer Präferenzen und ihres Konsums, und die Kosten sowie das unternehmerische Risiko werden durch private, staatsunabhängige Medienunternehmen getragen, die miteinander im Wettbewerb stehen. Dazu braucht es Medienunternehmer mit unterschiedlichem Profil, die mit qualifizierten und ideologisch unbefangenen Medienschaffenden kooperieren.

Zwangsfinanzierte und gemischtwirtschaftliche Medienunternehmen, die behaupten, ohne sie sei weder die Medienfreiheit noch die Medienvielfalt zu gewährleisten, sind in einer offenen Gesellschaft ein Fremdkörper und zunehmend auch ein Anachronismus. Die Freiheit beruht nämlich auf einem vielfältigen Angebot, das weder zwangsfinanziert noch durch ein Aussortieren des – angeblich – politisch Unkorrekten noch durch eine problematische, staatlich verordnete «Doktrin der Ausgewogenheit» eingeschränkt wird.

Dasselbe gilt ja auch bei den Printmedien. Dort gewöhnten sich Leserschaft und Abonnenten leider daran, dass über Jahrzehnte die Inserenten – freiwillig – die Hauptkosten trugen. Diesbezüglich findet derzeit eine anspruchsvolle Entwöhnungskur statt, die zu höheren Preisen und zu einem Wandel in der Zeitungslandschaft führt, den man bedauern mag, den man aber letztlich nicht verhindern kann, es sei denn, der Staat interveniere, subventioniere und reguliere auch im Zeitungswesen und mache auch dieses zu einer «Säule der Nationalkultur» und zu einem Service public.

Die gesamte Medienbranche sollte zu einer Normalität der koexistierenden und konkurrierenden Vielfalt zurückkehren, wenn sie nicht vom Staat oder von mit diesem verbandelten Grossverlagen, Förderern und Sponsoren abhängig werden will. Dies würde letztlich zur Bevormundung aller Medienkonsumenten führen und zu jenem schleichenden Mediensozialismus, der weltweit in vielen Ländern etabliert ist.

Im Folgenden sei versucht, einen Plan B zu skizzieren, der unabhängig vom Ausgang der Abstimmung zu realisieren wäre. Es geht um einen Abschied von den Zwangsgebühren durch eine Umwandlung in echte, frei wählbare Benutzergebühren und um eine «Auffanglösung», falls diese nicht ausreichen, um den reduzierten Leistungsauftrag der SRG weiterhin zu erfüllen.

Alle Gegner einer Abschaffung der Zwangsgebühren (die ja nichts anderes als eine Steuer sind) sollen unabhängig davon, ob sie in der politischen Volksabstimmung einer Mehrheit oder einer Minderheit angehören, den derzeitigen Mix von Information, Kommentaren, Unterhaltung, geförderter Kultur, Sport, Folklore und Konsumwerbung weiter konsumieren können, wenn sie den verlangten Preis (zum Beispiel 1 Franken pro Tag) bezahlen. Das ökonomische Plebiszit der zahlungsbereiten SRG-Kunden könnte so das politische Plebiszit der Zwangsgebührenzahler ersetzen. Von No-Billag-Befürwortern sollten hingegen keine Zwangsbeiträge mehr erhoben werden, selbst wenn sie rein technisch noch die Möglichkeit eines Zugangs haben sollten.

Wenn die Schweizer Radio- und Fernsehgesellschaft dieses ökonomische Plebiszit nicht überleben sollte, was sehr unwahrscheinlich ist, braucht es in einer Demokratie eine Möglichkeit, die politisch notwendige Behördeninformation zu garantieren. Auch die Versorgung von sprachlichen Minderheiten mit ausreichenden Informationen und mit Beiträgen zur Pflege ihrer Kultur ist ein politisch legitimes Anliegen. Zu diesem Zweck wäre den Behörden auf politischem Weg ein Budgetposten einzuräumen, mit dem sie sich bei privaten Sendern ein elektronisches Zeitfenster zur «notwendigen amtlichen Information in den elektronischen Medien» und zum «sprachlich-kulturellen Minderheitenschutz» erwerben könnten.

Solche steuerfinanzierte Sendungen sollten dann aber stets mit dem Logo des Staates gekennzeichnet sein. Die realen Kosten würden in einem politisch kontrollierten Budget erscheinen, und Bürger und Konsumenten könnten die Sendungen kritisch beobachten und daran glauben oder auch nicht. In den konkurrierenden Medien aller Couleur könnten solche Sendungen gezielt wiederholt, kommentiert, kritisiert oder gelobt werden. Lieber klar deklarierte und als solche erkennbare Staatssendungen als ein Mischmasch von Information, Infotainment, Sport, Folklore und Werbung.

Die Meinung, die Behörden würden bei einer Annahme von «No Billag» und dem in der Folge prognostizierten Niedergang der SRG jeden offiziellen medialen Kontakt zur Bevölkerung verlieren, ist nicht nachvollziehbar. Können sich denn gewählte Parlaments- und Regierungsmitglieder wirklich nur über zwangsfinanzierte Kanäle öffentlich Gehör verschaffen? Wäre dies der Fall, so wäre es ein schlechtes Zeichen für eine freie Nachfrage nach Informationen und Meinungsäusserungen.

In den bisher nicht subventionierten Printmedien funktioniert dies ja auch. Dort kommen sowohl die offiziellen Meinungen als auch die wichtigsten Parteistandpunkte erfahrungsgemäss ausgiebig zum Zug, weil sich das Publikum eben dafür interessiert. Bei den landessprachlichen Minderheiten (insbesondere bei der rätoromanischen und der italienischen) könnte man sogar zusätzliche kulturelle und informative Sendungen mit Steuergeldern fördern und dies jeweils vermerken – sie sei ermöglicht worden durch den Einsatz von Bundesmitteln oder durch eine gemeinnützige regionale Pro-Stiftung.

Die hier skizzierte Lösung ist unabhängig vom Ausgang der No-Billag-Abstimmung realisierbar. Sie würde eine klare Trennung von Behördeninformation, Minderheitenförderung sowie unterhaltenden, bildenden, erbauenden und kommerziellen Inhalten bringen. Politische Parteien müssten ihre Sendezeit bei privaten Sendern und bei einer privatisierten SRG eben bezahlen, wie sie auch für Plakate und Zeitungsinserate zahlen müssen, in denen sie werben und sich selbst darstellen. Sowohl die elektronischen als auch die Printmedien werden vermutlich in Zukunft zunehmend am Smartphone und am Computer à la carte und unabhängig von zeitlich fixierten Programmen und Ausgaben via Internet konsumiert werden. Der Einwand, die Separierung von bezahlenden und nichtbezahlenden Konsumenten im elektronischen Bereich aufgrund von Zugangscodes sei technisch schwierig, ist ernst zu nehmen.

Das Phänomen des Trittbrettfahrens beim elektronischen Konsum ist bei offenen Märkten nie völlig auszuschalten und ist weder neu noch aussergewöhnlich. Diesen Preis sollte man für wirklich staatsunabhängigere Medien zu zahlen bereit sein, und eine optimale Verknüpfung von Technologie und Kommerz wird es in Zukunft ermöglichen, befriedigende Lösungen zu finden.

Die Benützer des Internets bezahlen ihren Konsum, indem sie ungefragt und ungewollt offenbar wertvolle und an Dritte verkäufliche Informationsdaten liefern und sich, ebenfalls ungefragt, in Informationsbegleittexten bewerben lassen. Möglicherweise kommt es schon in absehbarer Zeit zu einem weiteren technologisch-ökonomischen Entwicklungsschritt, nach dem die Medienproduktion auch durch die systematische Ermittlung von Daten über die Gewohnheiten und Präferenzen der Medienkonsumenten und durch den Verkauf dieser Informationen an Dritte finanziert werden kann. Dieser Trend ist im Hinblick auf den Datenschutz nicht unproblematisch, und es ist darum besonders wichtig, dass auch in diesem Bereich eine klare Trennung zwischen Staat, Kultur und Wirtschaft angestrebt wird.

Zwangsfinanzierte und mit dem Staat verbandelte Medien werden in einer offenen Gesellschaft zunehmend zu einem Anachronismus. Die No-Billag- Abstimmung kommt möglicherweise zu früh, aber das Ende der Finanzierung des elektronischen Medienkonsums durch Zwangsgebühren ist aus technologischen Gründen absehbar.


Robert Nef ist Publizist und Mitglied des Stiftungsrates des Liberalen Instituts.

NZZ 1. Februar 2018, Seite 9

Schlagwörter:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert