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Staatsmacht und Wirtschaftsmacht

Lesedauer: 2 Minuten

(Zuercherin.net)

Wer an ein Primat der Politik glaubt und aus dieser Sicht ein politisches Gegengewicht zur globalisierenden Wirtschaft fordert, muss tatsächlich erwägen, ob einer wachsenden Weltwirtschaft nicht ein wachsendes politisches Weltsystem, so etwas wie ein Weltstaat, gegenübergestellt werden müsste. Wer hingegen konkurrierende non-zentrale ökonomische und zivilgesellschaftliche Strukturen vorzieht, entwickelt gegenüber solchen Szenarien eine instinktive Abneigung, die natürlich im einzelnen empirisch und mit historischen Beispielen zu begründen wäre.

Es ist gefährlich, von einer Weltregierung zu träumen, die auf globaler Ebene sogenannte «Wirtschaftsmacht» kontrollieren soll. Eine Weltregierung würde höchstens Weltlobbies erzeugen, neue unkontrollierbare Kooperations- und Koalitionsformen, bei denen eine zwanglos operierende Wirtschaft politische Macht anzapfen kann. Ähnliches gilt von einem Weltkartellamt oder von einer Welt-Börsenaufsicht. Wer zentralisiert, zentralisiert immer auch die Anfälligkeit für Irrtümer und für mehr oder weniger subtile Formen der Korruption. Das Grosssystem wird verletzlicher und verliert an Lernfähigkeit, Innovationsfähigkeit und Robustheit.

In Bezug auf kontinentale und globale politische Gebilde bedeutet dies: je grösser die Firmen, desto grösser die Chancen politischer Einflussnahme, d.h. die Firmengrössen werden dann durch die politischen Rahmenbedingungen nach oben geschraubt (weil sie sich auf den politischen «Märkten» der Macht durchsetzen wollen), und nicht durch die ökonomische Rationalität als solche, die möglicherweise zu kleineren, flexibleren Firmengrössen führte. Die hier geäusserte Fusionsskepsis und die Bedenken gegenüber mehr Grösse (bis zum «Too big to fail») und mehr organisierter Zentralität betreffen daher eher die Politik als die Wirtschaft, die im Markt über Mechanismen der Selbstkorrektur verfügt.

Die wirklichen Gefahren lauern dort, wo das Zwangsmonopol und die Steuer- und Rentenhoheit konzentriert wird. Dies ist mit ein Grund für die Skepsis gegenüber dem politischen Trend zur Zentralisation, der oft als Therapie gegen ökonomische Zusammenschlüsse gehandelt wird, obwohl er – mindestens zum Teil – deren Ursache ist.

Eine solche globalisierte politische «Ordnung» müsste sich nicht einmal mehr im globalen Wettbewerb der politischen Systeme bewähren. Wenn es einmal so weit ist, bleibt die Allianz der politisch und wirtschaftlich Mächtigen unter sich und teilt die Macht auf. Die Hoffnung, eine globalisierte Form von Welt-Massendemokratie könnte ein Gegengewicht setzen, ist naiv.

Persönlich bin ich der Meinung, dass ein Primat der Wirtschaft als Bestandteil der Kultur aus freiheitlicher Sicht dem Primat der Politik vorzuziehen ist. Eine auf Wettbewerb basierende global vernetzte Marktwirtschaft verhindert die Zentralisierung und Monopolisierung von Entscheidungsmacht und dauernder Marktdominanz. Sie muss allerdings vom politischen System und seinem Gewaltmonopol klar getrennt sein und einer gesellschaftlichen Kontrolle durch kritische, ebenfalls wettbewerblich organisierten Medien und durch eine staats- und wirtschaftsunabhängige Wissenschaft ausgesetzt bleiben. Diese Kontrolle ist auf die Dauer wirksamer als die politische Kontrolle durch politisch korrumoierbare Mehrheiten. Die möglichst klare Trennung von Politik und Wirtschaft ist eine der wichtigsten Vorausbedingungen einer freien Gesellschaft. Es muss institutionell verhindert werden, dass sich die Akteure der Wirtschaft vom Staat Macht kaufen, leihen oder erpressen können.

Quelle: https://www.zuercherin.net/2015/12/04/staatsmacht-und-wirtschaftsmacht/

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