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Gegen die staatliche Kaputtförderung der Familie!

Lesedauer: 3 Minuten

(Etwasanderekritik.wordpress.com)

Die Familie wird oft etwas pathetisch als „Urzelle“ der Gesellschaft bezeichnet. Sie gilt allgemein als etwas Gutes, Erstrebenswertes und Schutzwürdiges, obwohl sie seit je auch ein Ort schwerster Konflikte gewesen ist. Jeder Mensch hat Familienerfahrung, und die meisten Menschen haben unerfüllte Wünsche an diese Institution, die – vor allem als Ideal – kaum jemand missen möchte. Darum ist staatliche Familienförderung ein über alle Parteigrenzen hinweg populäres Postulat. Es gilt das tief verankerte Vorurteil: Etwas das gut ist, muss auch vom Staat gefördert werden. Familien gibt es aber schon längst bevor es Staaten und Wohlfahrtsstaaten gegeben hat, und häufig haben sich die Familien gegenüber Institutionen mit Zwangsmonopol mit guten Gründen als ziemlich eigenständig und gelegentlich auch als dissident oder gar als renitent erwiesen.

Weil Familien etwas so Notwendiges und Positives seien, wird – mindestens aus menschheitsgeschichtlicher Sicht meist etwas voreilig – der Schluss gezogen, man müsse sie staatlich nicht nur schützen, sondern auch fördern. Was gefördert wird, wird aber von der fördernden Institution abhängig. Staatlich fördern heisst nichts anderes als vom Staat abhängig machen. Die Eigenständigkeit wird dabei „kaputtgefördert“ und es werden nicht nur einige wenige, sondern möglichst alle Familien als bedürftig dargestellt. Durch generelle Förderung wird etwas grundsätzlich autonom Funktionierendes in einen Zustand der Abhängigkeit versetzt. Man macht so die unbestrittenermassen existierende Ausnahme der Unterstützungsbedürftigkeit zur Regel. Wer die Familie „im Griff“ hat, kann auch die Gesellschaft schrittweise indoktrinieren und beherrschen. Eine klare Abgrenzung zwischen Staat und Familie ermöglicht hingegen die für eine gedeihliche Entwicklung notwendige Vielfalt und bietet m.E. für alle Beteiligten mehr Vorteile als Nachteile.

Tolstois Roman „Anna Karenina“ beginnt mit der These, dass sich alle glücklichen Familien gleichen, dass aber jede unglückliche Familie auf ihre eigene Art unglücklich sei. Nabokovs Roman „Ada“ beginnt, – natürlich in Anspielung auf Tolstoi –, mit der petzold-pezolt-georg-1810-1878-suditalienische-familienidylle-1342416Gegenthese. Ich neige eher zu Nabokovs Auffassung, weil m.E. Glück komplexer ist als Unglück. Ich bevorzuge aber selbst eine dritte These: Keine Familie gleicht der andern, weder die glücklichen, noch die unglücklichen. Diese These wäre zu ergänzen durch die Feststellung: Gleichzeitig dauerhaft und restlos glückliche Familien gibt es gar nicht. Dasselbe gilt für Paare.

Es gibt keine ideale Familie und auch kein allgemeingültiges Familienideal. Der seinerzeit berühmte Schweizer Kinderbuchklassiker „Wir Turnachkinder“ basiert auf einer real existierenden Familie, nämlich der Familie Bindschedler in Zürich. Interessant ist, dass sich tatsächlich keines der „Turnachkinder“ später in einer eigenen Familie fortgepflanzt hat. Bei der idealen Familie schwindet offenbar der Anreiz zur Fortsetzung.

Die Familie ist die Schule des Lebensunternehmertums, die Brutstätte der kreativen Dissidenz, der Rahmen für die Zähmung von Auswüchsen, sowie die Kleinbühne des Generationen-und Geschlechterkonflikts und der Kombination von Rivalität und Solidarität unter Geschwistern. Sie ist ein Laboratorium, in dem mit Formen des Zusammenlebens und Kommunizierens experimentiert werden kann.

Jede nichtideale Familie macht wieder andere Fehlerkombinationen und begeht eigene alte und neue Irrtümer. So bleibt der Lernprozess durch Wettbewerb um die erfolgreichsten Familienstrategien bzw. Familienfluchtstrategien stets offen. Private Vielfalt tritt an die Stelle von staatlich geförderter Einfalt. Das ist eine grosse Chance für die Entwicklungs- und Lernfähigkeit einer letztlich doch auf Familien basierenden Gemeinschaft.


Robert Nef, lic. iur., geboren 1942, ist Präsident des Stiftungsrates des Liberalen Instituts sowie der Stiftung für Abendländische Ethik und Kultur in Zürich!

Quelle: https://etwasanderekritik.wordpress.com/2013/02/15/gegen-die-staatliche-kaputtforderung-der-familie/

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