Freiheit kann nie grenzenlos sein, aber die entscheidenden Schranken sind aus liberaler Sicht nicht den Bürgerinnen und Bürgern zu setzen, sondern den Behörden aller Stufen.
10 Leitplanken für liberale Politik
- Ihr sollt der Freiheit, dem Kern der Menschenwürde, stets Vorrang geben.
- Ihr sollt das Privateigentum garantieren und schützen, da es die selbständige und eigenverantwortliche Lebensgestaltung mündiger Menschen ermöglicht.
- Ihr sollt Kultur und Wirtschaft, insbesondere Handel, Gewerbe und Dienstleistungen dem Wettbewerb überlassen.
- Ihr sollt alle gleich behandeln, keine Mündigen bevormunden und die Abschaffung der Freiheit durch Mehrheitsbeschlüsse verhindern.
- Ihr sollt ohne Notwendigkeit niemanden zu etwas zwingen.
- Ihr sollt Eure Macht periodisch durch Mehrheiten neu legitimieren lassen und nicht zu Lasten von Minderheiten ausüben. Die wichtigste Minderheit ist das Individuum.
- Ihr sollt keine Steuern und Abgaben erheben, die das Eigentumsprinzip, das Gleichbehandlungsprinzip und den Minderheitenschutz verletzen. Steuern sind auf das jeweils wirtschaftlich Tragbare und im engen Sinn Notwendige zu beschränken und in Friedenszeiten nachhaltig abbauen.
- Ihr sollt Euch nicht in private Angelegenheiten einmischen und alles was Menschen eigenständig besorgen können, nicht von Staates wegen lösen wollen, die staatlichen Aufgaben so bürgernah wie möglich wahrnehmen und wenn möglich nicht durch angestellte Funktionäre sondern durch teilzeitlich und nebenberuflich Beauftragte.
- Ihr sollt das Zwangsmonopol limitieren die Staatsgewalten trennen und voneinander unabhängig organisieren und die Garantie von persönlicher Sicherheit und Ordnung situations- und problemgerecht handhaben.
- Ihr sollt von Staates wegen nie allen, sondern nur den wirklich Notleidenden helfen, wenn immer möglich durch zeitlich befristete Hilfe zur Selbsthilfe.
Auf der Basis dieser 10 Leitplanken lassen sich 10 liberale Prinzipien formulieren:
1. Motto: Freiheit hat Vorrang
Freiheitsprinzip als Voraussetzung der Menschenwürde
Freiheit, der Kern der Menschenwürde, hat stets Vorrang.
Denn: Eingriffe in die Freiheit verletzen die Menschenwürde und der Staat darf nur intervenieren, wenn die Freiheit selbst gefährdet ist.
Deshalb sind alle freiheitsfeindliche staatliche Vorschriften und Interventionen abzubauen, auch wenn sie im Hinblick auf untergeordnete Ziele durchaus „gut gemeint“ sind.
2. Motto: Produzieren kommt vor Verteilen
Eigentumsprinzip als Voraussetzung der Privatautonomie
Das Privateigentum ist die Grundlage und nicht das Gegenprinzip des Gemeinwohls.
Eingriffe ins Privateigentum sind freiheitsfeindlich.
Denn: Privateigentum und Privatautonomie sind die Voraussetzungen für das Vereinbaren von Rechten und Pflichten und für die Übernahme der Verantwortung im Sinn des Einstehens für die Konsequenzen des Handelns und Verhaltens.
Deshalb sind Eigentumsbeschränkungen und entmündigende Eingriffe in die Privatautonomie abzubauen.
3. Motto: Vielfalt und Wettbewerb wagen
Wettbewerbsprinzip als Voraussetzung des Freihandels
Kultur und Wirtschaft, insbesondere Handel, Gewerbe und Dienstleistungen sind dem Wettbewerb zu überlassen.
Denn: Der Wettbewerb ist das beste Entdeckungsverfahren und das genialste Entmachtungsinstrument der Weltgeschichte, und er dient insgesamt sowohl dem Produzenten als auch dem Konsumenten und der allgemeinen Wohlstandsmehrung.
Deshalb sind protektionistische und interventionistische Vorschriften sowie Staatsmonopole abzubauen und wettbewerbsschädigende private Zusammenschlüsse zu bekämpfen.
4. Motto: Gleiche Regeln statt bevormundende Gleichmacherei
Rechtsstaatsprinzip als Voraussetzung begrenzter Staatstätigkeit
Jede Staatstätigkeit muss begrenzt sein und eine gesetzliche Grundlage haben. Sie ist nicht auszuweiten sondern abzubauen.
Denn: Die gesamte Staatstätigkeit muss an das Prinzip der gleichen Regeln für alle gebunden und durch eine verfassungsrechtliche Grundordnung geschützt sein, die eine Abschaffung freiheitlich-demokratischer Prinzipien nicht zulässt.
Deshalb soll der bevormundende Daseinsvorsorgestaat abgebaut werden.
5. Motto: Zwang zerstört Freiwilligkeit
Begrenzung von Zwang als Voraussetzung der Eigenverantwortung
Niemand darf ohne Not zu etwas gezwungen werden.
Denn: Wer gegenüber einem andern mündigen Menschen ohne seine Zustimmung Zwang ausübt, verletzt dessen Freiheit. Alle Vorschriften, die mündige Menschen vor sich selbst schützen, beschränken die Freiheit und bauen das Verantwortungsbewusstsein und die Bereitschaft zur selbstbestimmten Solidarität ab. Sie sind nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig.
Deshalb sind alle überflüssigen allgemeinverbindlichen Zwänge und Bevorzugungen abzuschaffen.
6. Motto: Selbstbestimmung geht vor Mitbestimmung
Demokratieprinzip und Respektierung von Minderheiten als Voraussetzung der Machtbeschränkung
Politische Macht ist periodisch durch Mehrheiten zu legitimieren und darf nicht zu Lasten von Minderheiten ausgeübt werden.
Denn: Die wichtigste Minderheit ist das Individuum. Individuelle Selbstbestimmung geht vor demokratischer Mitbestimmung.
Deshalb darf die Mehrheit nur in den verfassungsrechtlich vorgesehenen Ausnahmefällen in die individuelle Freiheit und in die Selbstbestimmung von Minderheiten eingreifen.
7. Motto: Weniger Steuern
Prinzip der massvollen Besteuerung als Voraussetzung wirtschaftlicher Prosperität
Steuern und Abgaben erheben, dürfen weder das Eigentumsprinzip, noch das Demokratieprinzip und die Respektierung von Minderheiten verletzen.
Denn: Eine konfiskatorische und übermässige Besteuerung ist freiheits- und wirtschaftsfeindlich. Steuern und Abgaben müssen eine verfassungsrechtliche Grundlage haben, begrenzt und klar definiert sein. Die Besteuerten müssen über die Höhe und die Verwendung der Steuern demokratisch mitbestimmen können.
Deshalb sind Steuern auf das wirtschaftlich Tragbare und im eigentlichen Sinn Notwendige zu beschränken und in Friedenszeiten nachhaltig abbauen.
8. Motto: Zivilgesellschaft als Modell der Zukunft
Subsidiaritätsprinzip und Milizprinzip als Voraussetzung der Zivilgesellschaft
Staatliche Instanzen sollen sich nicht in private Angelegenheiten einmischen und öffentliche Aufgaben so bürgernah und so lokal wie möglich lösen.
Denn: Was Private vertraglich lösen können, soll nicht Sache des Staates sein und was die kleinere Gemeinschaft lösen kann soll nicht zentralisiert werden und was teilzeitlich und nebenamtlich Beauftragte lösen können, soll nicht Sache staatsangesellter Funktionäre sein.
Deshalb sind alle öffentlichen Dienste dem Wettbewerb zu öffnen. Bestehende Überzentralisierungen sind abzubauen.
9. Motto: Ordnung und Sicherheit durch Freiheit
Verhältnismässigkeitsprinzip als Voraussetzung der öffentlichen Ordnung
Das staatliche Zwangsmonopol soll stets limitiert sein und im Sinn einer begründungspflichtigen Ausnahme, situations- und problemgerecht gehandhabt werden.
Denn: Der Staat hat das Monopol für die zwangsweise Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung nur zur Verhinderung von Gewaltausübung und Freiheitsmissbrauchs zum Schaden Dritter. Alle andern Kompetenzen, insbesondere die Intervention in die grundsätzlich autonome Wirtschaft und Kultur sind begründungspflichtige Ausnahmen.
Deshalb sind die diesbezüglich bestehenden freiheitsbeschränkenden Vorschriften abzubauen.
10. Motto: Solidarität als Nothilfe und nicht als Bevormundung
Subjekthilfe-Prinzip als Voraussetzung der Solidarität
Der Staat soll die wirklich Notleidenden nicht im Stiche lassen, und sie wenn möglich durch zeitlich befristete Hilfe zur Selbsthilfe unterstützen.
Denn: Staatliche Hilfe durch Umverteilung funktioniert in Kombination mit dem Demokratieprinzip nur dann nachhaltig, wenn sie sich auf die gezielte Bekämpfung sozialer Notlagen beschränkt und die spontane Hilfsbereitschaft nicht überflüssig macht.
Deshalb sind die über dieses Ziel hinausgehenden bevormundenden Institutionen und Vorschriften abzubauen und mit dem Subsidiaritätsprinzip in Einklang zu bringen.
Robert Nef studierte Rechtswissenschaften in Zürich und Wien. Zwischen 1961 und 1991 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Rechtswissenschaft an der ETH Zürich. 1979 hat er das Liberale Institut in Zürich gegründet, das er heute präsidiert. Von 1994 bis 2008 war er Mitherausgeber der Schweizer Monatshefte. Er ist Mitglied der Mont Pelerin Society sowie der Friedrich August von Hayek-Gesellschaft und Präsident der Stiftung für Abendländische Ethik und Kultur. 2008 wurde er mit der Hayek-Medaille ausgezeichnet. Seit 2010 ist er zudem Präsident des Vereins Gesellschaft und Kirche wohin? sowie Stiftungsrat der Stiftung Freiheit und Verantwortung.
Quelle: https://www.misesde.org/2012/06/10-leitplanken-fur-liberale-politik/