Robert Nef, lic. iur., Stiftungsratspräsident des Liberalen Instituts und der STAB-Stiftung für Abendländische Ethik und Kultur
Unterlage zum Vortrag vor dem Verein FAiR, Herrliberg, 3. Mai 2012
Der Begriff „Erb und Eigen“ zeigt auf, wie eng die beiden Institute des Privatrechts zusammenhängen.
- Die Privatrechtsordnung ist ein System, oder noch besser, ein organisches Ganzes. Die traditionell überlieferten Institutionen des Privatrechts sind aufeinander bezogen und können nur im Zusammenhang richtig verstanden werden. Die Abschnitte des ZBG und des OR sind die „Traktandenliste“ einer freiheitlichen Ordnung: Person, Familie, Erbe, Sache, Vertrag, Haftung, organisiertes Zusammenwirken und verbriefte Wertübertragung bilden einen Regelkreis, der die Basis einer nachhaltig funktionierenden Zivilgesellschaft bildet.
- Die Zweiteilung der Rechtsordnung in ein grundsätzlich privatnütziges Privatrecht und ein grundsätzlich gemeinnütziges öffentliches Recht führt zu verhängnisvollen Missverständnissen.
- Das grösste Missverständnis hat sich im Zusammenhang mit dem Privateigentum und dem privaten Grundeigentum etabliert. Privateigentum und Privatautonomie dienen nicht dem Egoismus, sie sind insgesamt in ihrer Auswirkung gemeinnützig. Dies gilt nicht in jedem Fall, aber doch in einer generellen und langfristigen Betrachtungsweise.
- Das Privateigentum gilt zu Unrecht allgemein als ein Institut, das primär privaten und egoistischen Interessen dient, die im öffentlichen Interesse oder zugunsten der Allgemeinheit möglichst wirksam eingeschränkt oder aufgehoben werden sollen.
- Unsere Rechtsprechung zur Eigentumsgarantie basiert auf der Theorie der Interessenabwägung zwischen einerseits privaten Eigentümerinteressen und anderseits überwiegenden öffentlichen Interessen an einer gemeinsamen Nutzung von ehemaligem Privateigentum, das durch Beschränkung oder Enteignung teilweise oder ganz in Gemeineigentum hinübergeführt worden ist. Kurz: Unbeschränktes Privateigentum als Relikt, beschränktes Eigentum und Gemeineigentum als Fortschritt.
- Das ist ein verhängnisvoller Irrglaube. Es ist umgekehrt: Die Gesellschaft schreitet von der staatlichen Zwangsgemeinschaft zur freiheitlichen Zivilgesellschaft voran. Bei einer umfassenden Interessenabwägung müsste auch die Tatsache gewürdigt werden, dass es ein sehr tief verankertes und langfristiges öffentliches Interesse an der Existenz und am Schutz der Privatautonomie und des Privateigentums gibt und insbesondere des personenbezogenen privaten Grundeigentums.
- Familienrecht, Erbrecht und Sachenrecht haben bei der Kultivierung des Bodens und beim ressourcenschonenden und generationenübergreifenden Sorgetragen (schweizerdeutsch: „Sorg hebe“) eine entscheidende insgesamt positive Rolle gespielt.
- Es gibt zweifellos private Grundeigentümer, die ihr Grundeigentum vernachlässigen, zerstören und schlecht nutzen. Es gibt auch unwürdige und nichtsnutzige Erben. Sie sind aber die Ausnahme von der Regel und werden oft auch familienintern moralisch sanktioniert.
- In Gesellschaften, die das Privateigentum abgeschafft haben, ist aber die Vernachlässigung langfristiger Gesichtspunkte und die kurzfristige ökologische Zerstörung und Verwüstung weltweit eher die Regel als die Ausnahme.
- Insgesamt ist eine an Privateigentum und private Erbfolge geknüpfte Boden- und Naturnutzung nachhaltiger, als die dem jeweiligen Mehrheitswillen und dem kurzfristigen politischen Macht- und Prestigedenken ausgelieferte Nutzung von Gemeineigentum.
- Wenn die Natur, d.h. die Tiere und Pflanzen über die Art und Weise der Naturbewirtschaftung mitentscheiden könnten, würden sie sich mit grosser Wahrscheinlichkeit in der Regel für private Nutzungen entscheiden, oder für einen Kompromiss zwischen öffentlichen (mehrheitlich unsorgfältigen) und privaten (mehrheitlich sorgfältigen) Nutzungen.
- Wer sich für ein vernünftiges Nebeneinander von privaten und öffentlich zugänglichen Seeuferpartien einsetzt, ist kein egoistischer Privateigentumsschützer, sondern verficht eine Position, die alles in allem von der Sorge um eine schonende und nachhaltigen Natur- und Seeufernutzung getragen ist.
«Was Du ererbt von Deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen.» (Faust in Goethe, Faust I))
«Tous les événements sont enchaînés dans le meilleur des mondes possibles;» (Pangloss) «Cela est bien dit,» répondit Candide, «mais il faut cultiver notre jardin.» (Voltaire)