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Liberale haben keine Freunde

Lesedauer: 4 Minuten

von Konrad Hummler

Wer ist Robert Nef?

Robert Nef ist eine Liste von Büchern, Buchbeiträgen, Zeitschriftenaufsätzen, Zeitungsartikeln, Voten, Leserbriefen und Rezensionen. Die mir übergebene Literaturliste umfasst über 40 Seiten und viele hundert Beiträge.1

Wer soviel mitzuteilen hat, muss erstens leicht schreiben können, zwei- tens vom Gedanken beseelt sein, andere überzeugen zu müssen und zu können, und drittens muss er Ausdauer haben. Robert Nef ist ein nach- haltiger Bildungsoptimist. Er glaubt unerschütterlich daran, dass das Wort imstande ist, die Welt zu verändern und zu verbessern. Schiere Verzweiflung ob der Borniertheit des Publikums ist ihm fremd.

Robert Nef ist ein Allrounder. Er publizierte beileibe nicht nur über Fragen der politischen und wirtschaftlichen Ordnung, sondern auch über Sicherheitspolitik, über Raumplanung und über Erziehungsfragen. Robert Nef hält ein eidgenössisches Diplom als Hauslehrmeister. Da- rauf ist er besonders stolz. In seiner häuslichen Organisation sui generis mit seiner Frau Anneliese (und früher auch den beiden Söhnen Samuel und Andreas) kamen ihm diese erworbenen Fähigkeiten mit Sicherheit mehr zustatten als die stets vermiedene juristische Dissertation oder die noch mehr vermiedene Habilitationsschrift, zu denen er fraglos befähigt gewesen wäre.

Robert Nef ist ein organisierter Chaot. Als Redaktor der Schweizer Monatshefte, Leiter des Liberalen Instituts und Berater vieler wichtiger Institutionen und Personen bewegte er sich immer wieder hart an der Linie des Kollapses infolge hoffnungsloser Überlastung. Aber wer ihn kennt, der weiss, dass seine besten Leistungen just dann entstehen, wenn wir schon längst aufgegeben hätten und die Beigen unbeantworteter Briefe und E-Mails, ungelesener oder teilweise gelesener Zeitschriften und Bücher, die angefangenen Artikel und Rezensionen, die nächsten Beiträge zum Kolloquium über die weitere politische Entwicklung Estlands – wenn wir aus purer Verzweiflung dies alles dem städtischen Abfuhrwesen anvertraut hätten. Gerade dann erklimmt der Infanteneoffizier Nef seinen Adlerhorst, erklettert die dortigen Papierberge und entwickelt jenen Weitblick, den wir so schätzen.

Robert Nef ist ein guter Freund. Wer ihn aus persönlichem Umgan-e. aus dem Militärdienst oder aus dem einen oder andern Gremium kennt. dem er auch angehört, der kennt und schätzt seine geradlinige, uneigennützige Art. Es geht immer um die Sache, häufiger noch ums Prinzip. Eigene Vorteile interessieren Robert Nef weniger, zu wenig vielleicht. In diesem Zusammenhang ist sicherlich sein Engagement als Präsident des Ostschweizer Kinderspitals zu erwähnen. Robert Nef führte darin das Lebenswerk seines Vaters Paul Nef, des initiativen und visionären St. Galler Kinderarztes, weiter. Dass er dabei sozusagen auch auf der andern Seite des Sozialstaats stehen musste, auf der Empfängerseite, stellte für ihn eine besondere Herausforderung dar. Es zwang den Dogmatiker zur Pragmatik.

Aber: Liberale haben keine Freunde

Im Grunde genommen ist der Liberale kein Politiker – nämlich dann nicht, wenn man Politik als die Tätigkeit der Umverteilung definiert, als das mehr oder weniger geschickte, mehr oder weniger begründete Wegnehmen von Werten einer Bevölkerungsgruppe und das gezielte, geschickt inszenierte Geben von Weften an andere Teile der Bevölke- rung. Typischerweise erfolgt das Wegnehmen dort, wo die Summe des Weggenommenen am besten verteilt werden kann und wo es, gemessen an der Gesamtsituation, relativ am wenigsten weh tut. Das Schenken erfolgt gezieLt, auf spezielle Effekte ausgerichtet, wenn möglich anläss- lich von Sondersessionen. Wegnehmen richtet sich üblicherweise gegen den Mittelstand; das Geben ist auf eine der vielen ,,special interest groups” ausgerichtet. So funktioniert die Demokratie, und so funktio- nieren, mit vielen rechtsstaatlichen Abstrichen zwar, auch totalitäre Systeme.
Demgegenüber hat der Liberale nichts Direktes zu bieten. Er will opti- male Rahmenbedingungen schaffen. Er steht für gesellschaftliche

Durchlässigkeit ein. Ihm sind Machtkartelle und andere Kartelle zuwi- der. Ihm liegen die Aufstiegschancen des Mittelstandes nahe. Strukturen sind für ihn nur so lange sinnvoll, als sie das Fortschreiten der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung nicht behindern.

Der Liberale ist damit auf “Nomos” ausgerichtet und nicht auf “Thesis”, um mit Friedrich August von Hayek zu sprechen. Auf allgemein gültige, möglichst willensfreie Spielregeln also, auf eine voraussehbare und in sich beschränkte Staatstätigkeit, auf evolutionär gewachsenes Recht. “Thesis” bedeutet demgegenüber die zielgerichtete, auf den konkreten Effekt ausgerichtete Staatsaktion zugunsten einer vordefinierten Gruppe, die dies dem Politiker dankt durch Wiederwahl, Wahlspenden, Bestechungsgelder oder andere Sympathiebezeugungen.

Es wundert deshalb nicht, dass Robert Nef weder für sein Liberales Institut noch für die Schweizer Monatshefte je soviel Gelder gefunden hat, dass sorgenfrei und auch noch etwas effektiver hätte gearbeitet werden können. Für jede halbwegs anständige Abstimmungskampagne in der Schweiz werden zwischen einer und 10 Millionen Franken ausgegeben; das Jahresbudget des Liberalen Instituts überstieg 100’000 Franken nie wesentlich, und für das Überleben der Schweizer Monatshefte waren wir auch Jahr für Jahr enorm dankbar.

Jede anständige Branche, jeder Berufsstand, jede Unternehmergruppe unterhält in Bern eine Infrastruktur mit einem Direktor, der die Wandelhallen des Bundeshauses wie seinen eigenen Hosensack kennt. Auf diese Einflüsterer der Nation wird von Parlamentariern und von Medienvertretern eifrigst gehört.

Aber der Basisarbeiter – ihm fehlt nicht nur das Geld, sondern häufig auch noch der Medienerfolg. Denn die Medien, vorab das Fernsehen, wollen Storys. Storys sind konkrete, spezifische Geschichten. Gesellschaftspolitische Konzeptionen haben in dieser Welt des Gezielt-Personifizierten keinen Platz oder höchstens zur Randstunde in der “Sternstunde Philosophie”, nach 23 Uhr. Wenn der Rest der Welt nur noch RTL plus schaut.

Liberale haben keine Freunde. Selbst unter Freunden pflegt es an Anerkennung zu mangeln. So hat das Liberale Institut als Vordenker-Think-Tank nie einen brauchbaren Auftrag von Seiten der Freisinnig-demokratischen Partei der Schweiz erhalten. Dafür unterhält Robert Nef intensive und fruchtbare Kontakte zur Friedrich-Naumann-Stiftung der deutschen FDP sowie zum Fraser Institut in Vancouver.

Es ist keine Flutlichtanlage, die Robert Nef betreibt und betrieb, beileibe nicht. Aber es ist auch nicht einfach ein Windlichtlein, das aufflackert und bald wieder einmal verlöscht. Vielmehr sorgt Roberr Nef seit Jahren für einen nachhaltigen, ruhigen Schein, für dis liberale Säntislichtlein. Wir sind ihm unendlich dankbar für diese Tätigkeit.

Liberale haben keine Freunde. Lieber Robert – einer Sache kannst du gewiss sein: Diejenigen Freunde, die du hast, sind wenigstens echt.


1 Der Beitrag basiert im Wesentlichen auf einer Rede, welche der Autor zum 60. Geburtstag von Robert Nef gehalten hat. Der grundsätzliche Inhalt ist auch heute noch gültig.

Dr. iur. Konrad Hummler, Teilhaber von Wegelin & Co. Privatbankiers, deren Hauptgeschäft im Januar 2012 an die Raiffeisen Gruppe verkauft wurde. Reiche publizistische Tätigkeit mit Konzentraiion auf
polit-ökonomische Themen. Im kulturellen Bereich vor allem durch Gründung und Betrieb der J. S. Bach-Stiftung bekannt.

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