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Wie liberal ist die deutsche FDP?

Lesedauer: 2 Minuten


(Weltwoche – Deutschland)

Das Credo der Partei wird in der Koalition mit den Christdemokraten auf eine harte Probe gestellt.

Von Robert Nef

Eine liberale Partei hat immer etwas Paradoxes an sich. Das Bekenntnis zur Freiheit und die Kritik am Bevormundungsstaat haben vielfältige Motive, und man findet selten zwei Liberale, die genau dieselbe politische Auffassung vertreten. Eine gewisse ideelle Bündelung unterschiedlicher Meinungen und eine minimale Geschlossenheit im Auftritt gegenüber Gegnern und allfälligen Koalitionspartnern gehört aber zu jeder Partei, die durch ihr Profil sowohl Wählerstimmen, fähige Kader als auch einen engagierten Nachwuchs gewinnen will, drei Voraussetzungen für einen nachhaltigen politischen Erfolg.

Die deutsche FDP hat in der letzten Wahl diese drei Voraussetzungen erfüllen können und den verdienten Erfolg geerntet. Sie ist durch den Jungbrunnen der Opposition von einer schwer definierbaren Partei der Mitte zu einer Partei am relativ staatskritischen, reformfreudigen rechten Flügel geworden, was im offensichtlich erfolgreichen Slogan der parteinahen Stiftung für die Freiheit «Umsteuern Freiheit braucht Mut» zum Ausdruck kam. All dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie parteiintern genau jene drei Strömungen zu integrieren hat, die natürlich mit mehr Profil in der gesamten deutschen Wählerschaft ebenfalls vorhanden sind: die wertkonservative, auch nationale Werte betonende Rechte, für die es in Deutschland kein der Schweizer SVP vergleichbares bürgerliches Sammelbecken gibt, die betont marktwirtschaftliche, anti-etatistische Rechte, eine kleine, aber intellektuell gut dotierte Gruppe, sowie die wirtschaftsskeptischen Linksliberalen, die parteiintern in den letzten Jahren insgesamt an Einfluss eingebüsst haben.

Die Vertreter strikt liberaler Ideen sind zahlenmässig in der Minderheit. Pointiert formuliert, ist die deutsche FDP innen eine Art Schwarz-gelb-grün-Koalition, was natürlich die liberale Stosskraft hemmt, aber dafür eine gewisse Robustheit und Spielraum für Kompromisse eröffnet. Wenn Liberale am rechten Flügel einer Koalition zusammen mit sozialdemokratisierten Christdemokraten regieren müssen, ist ihr liberales Credo dreifach auf die Probe gestellt. Der Liberalismus ist seinem Wesen nach machtkritisch, verlangt also Charakterstärke und vor allem Zurückhaltung bei der Selbstinszenierung. Der konsequente Liberalismus ist in einem wohlfahrtsstaatlich verwöhnten Umfeld bei breiten Volksschichten unpopulär.

Die CDU/CSU-Koalitionspartner werden alles daran setzen, den unpopulären Bestandteil des Reformbedarfs der FDP anzulasten, um sich als die menschlichere und sozialere Partei zu profilieren. Das wird sich wiederum im FDP-internen Spannungsfeld auswirken, denn man wird schwerlich vermeiden können, dass der zu erwartende Popularitätsverlust den marktwirtschaftlich-libertären «Scharfmachern», dem wirklich liberalen Kern, angelastet wird. Alles in allem kein Sonntagsspaziergang. Die Versuchung, dem Machterhalt und der Popularität mehr Gewicht zu geben als der Erfüllung von liberalen Wahlversprechen, ist gross. Wie viel Steuern als Ausdruck des Muts zum Umsteuern tatsächlich abgebaut werden, bleibt eine offene Frage. Aber der nachträgliche Verzicht auf die Erfüllung von Wahlversprechen ist kein ausschliesslich deutsches Phänomen.


Robert Nef ist freier Autor, Stiftungsratspräsident des Liberalen Instituts und der Stiftung für Abendländische Ethik und Kultur.

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