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Tanzen wir ums goldene Kalb?

Lesedauer: 4 Minuten

Der Weg vom kollektiven Tanz zu den an jeden Menschen gerichteten Geboten für ein gutes Zusammenleben

Vortrag vor der FDP Stäfa, 25. September 2009

Der Tanz ums goldene Kalb wird heute häufig mit der Verabsolutierung einer ausschliesslich auf materielle Werte ausgerichteten kapitalistischen Lebensführung gleichgesetzt, mit dem was auch „Gier“ und „Abzockerei“ genannt wird. Die im 2. Buch Mose im 32. Kapitel nachzulesende ursprüngliche Geschichte setzt völlig andere Akzente.

Das „goldene Kalb“ symbolisiert nämlich nicht das private Kapital. Es entstand aus dem kollektivierten, zusammengeschmolzenen Goldschmuck, aus dem einzigen Privatvermögen der Nomaden. Durch dieses kollektive Opfer für die Gemeinschaft sollte dann von einem offenbar käuflichen Gott das kollektive Heil erlangt werden. Wenn wir den Begriff Gott durch Staat ersetzen, sind wir nahe bei dem, was Staatsgläubige aller Parteien auch heute noch erhoffen und umtanzen: Das durch Steuern zwangsweise kollektivierte Kapital soll alle politischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme lösen. Das goldene Kalb ist nicht das zum Fetisch pervertierte Privatvermögen der Reichen, sondern der Fiskus!

Moses verwirft dieses an primitive Magie anknüpfende Problemlösungsverfahren. Er pulverisiert das goldene Kalb und fügt den Goldstaub dem von allen konsumierten Trinkwasser bei – eine kluge irreversible Entsorgung. Die Illusion, man könne durch zwangsweise Umverteilung Gutes bewirken, kann gar nicht erst entstehen. Anstelle der Kollektivierung des Privateigentums bringt er dem Volk 10 göttliche Gebote, die sich an jeden einzelnen richten: Eine Sollensordnung, keine Verfassung, ein individueller moralischer Verhaltenskodex, der allerdings, wenn man sich daran hält, sowohl den Individuen als auch der Gemeinschaft Vorteile verheisst. Der Glaube an gültige Werte weist einen Weg, er wird nicht als kollektiver Beschwörungstanz rund um ein zentrales magisches Kollektiveigentum öffentlich zelebriert, sondern im Alltag unterschiedlicher und ungleicher Individuen und Familien non-zentral praktisch umgesetzt: Ein über alle Zeiten hinweg taugliches freiheitliches Konzept. Eine freie Gemeinschaft freier Menschen entsteht durch gemeinsam akzeptierte und individuell praktizierte rational fassbare Regeln und nicht durch Opfer, magische Rituale, politische Dogmen, metaphysische Spekulation und blinde Gefolgschaft.

Die heute vorgestellten Gebote sind ebenfalls als Alternative zum Tanz ums goldene Kalb zwangskollektivierter Staatsmittel gedacht. Sie sind allerdings weder göttlich inspiriert noch menschheitsgeschichtlich auf die Situation von Nomaden auf dem Weg zur Sesshaftigkeit ausgerichtet. Sie basieren auf kleinräumig-eidgenössischen Erfahrungen, sind persönlich gefärbt und erheben keinen Anspruch auf zeitlose Allgemeingültigkeit. Sie sollen hier und jetzt zum Nachdenken und Umdenken anregen und allenfalls auch zum Widerspruch herausfordern.

Die hier als Alternative zum aktuell praktizierten Tanz ums goldene Kalb des fiskalisch kollektivierten Privatvermögens postulierte Alternative von 10 Geboten betreffen nur einen begrenzten Ausschnitt aus der Lebensrealität: die Politik.

Politik hat keinen Vorrang, sie schafft lediglich Bedingungen für friedliches Zusammenleben. Aus liberaler Sicht ist das wichtigste politische Ziel die Entgiftung der Macht. Darum richten sich die 10 Gebote für eine liberale Politik nicht an alle, sondern an die politischen Machtträger. Sie sind kein allgemeingültiger Verhaltenskodex, sondern jene Bedingungen unter denen sich Regierte allenfalls bereitfinden, sich regieren zu lassen. Freiheit kann nie grenzenlos sein, aber die entscheidenden Schranken sind aus liberaler Sicht nicht den Bürgerinnen und Bürgern zu setzen, sondern den Behörden aller Stufen.

Das biblische „Du sollst“ ist in der Originalsprache der 10 Gebote kein Imperativ, hat also nichts Imperiales, auf höchster Zwangsgewalt beruhendes an sich, sondern ist die Basis eines auf gegenseitiger Treue gegründeten Bündnisses. Im Folgenden wird an die traditionelle Übersetzung angeknüpft.

Die in einer Demokratie sinnvolle Formulierung könnte folgendermassen lauten:
Ihr werdet Euch an diese Gebote halten. Wenn nicht, werden wir Euch nicht mehr wählen.

10 Gebote für eine liberale Politik

  1. Ihr sollt der Freiheit, dem Kern der Menschenwürde, stets Vorrang geben.
  2. Ihr sollt das Privateigentum garantieren und schützen, da es die selbständige und eigenverantwortliche Lebensgestaltung mündiger Menschen ermöglicht.
  3. Ihr sollt Kultur und Wirtschaft, insbesondere Handel, Gewerbe und Dienstleistungen dem Wettbewerb überlassen.
  4. Ihr sollt alle gleich behandeln, keine Mündigen bevormunden und die Aushöhlung und der Freiheit durch Mehrheitsbeschlüsse verhindern.
  5. Ihr sollt ohne Not niemanden zu etwas zwingen.
  6. Ihr sollt Eure Macht periodisch durch Mehrheiten neu legitimieren lassen und nicht zu Lasten von Minderheiten ausüben. Die wichtigste Minderheit ist das Individuum.
  7. Ihr sollt keine Steuern und Abgaben erheben, die das Eigentumsprinzip, das Gleichbehandlungsprinzip und den Minderheitenschutz verletzen. Steuern sind auf das im engen Sinn Not-wendige zu beschränken und in Friedenszeiten nachhaltig abzubauen.
  8. Ihr sollt Euch nicht in private Angelegenheiten einmischen und alles was Menschen eigenständig besorgen können, nicht von Staates wegen lösen wollen, die staatlichen Aufgaben so bürgernah wie möglich wahrnehmen und wenn möglich nicht durch angestellte Funktionäre sondern durch teilzeitlich und nebenberuflich Beauftragte.
  9. Ihr sollt das Zwangsmonopol limitieren, die Staatsgewalten trennen und voneinander unabhängig organisieren und die Garantie von persönlicher Sicherheit und Ordnung situations- und problemgerecht handhaben.
  10. Ihr sollt von Staates wegen nie allen, sondern nur den wirklich Notleidenden helfen, und zwar subsidiär und wenn immer möglich durch zeitlich befristete Hilfe zur Selbsthilfe.

Neben diesen 10 politischen Geboten an die Behörden aller Gewalten und aller Stufen gibt es Leitlinien für eine liberalere Welt. Die einfachste Formulierung, deren Quelle ich nicht kenne, umfasst 5 Punkte, die in diesem Kreis generell kaum Widerspruch wecken werden aber wohl auch wenig politische und praktische Impulse provozieren.

5 Leitlinien für eine liberalere Welt

  1. Freie Märkte sind der beste Weg um unseren Mitmenschen zu helfen.
  2. Alle Regierungsgewalt muss limitiert werden.
  3. Privateigentum und freiheitlicher Rechtsstaat sind die Schlüssel zu einer freien und gerechten Gesellschaft.
  4. Wir müssen den Wettbewerb um die besten Ideen gewinnen.
  5. Handel und zivilisatorische Entwicklung bringen jenen Wohlstand hervor, von dem alle profitieren.

Neben Parteiprogrammen und Legislaturzielen sollte man als politisch interessierter Lebensunternehmer und Mitglied einer liberalen Partei im Hinblick auf die nächste Generation (d.h. für 30 Jahre) ein Programm für das eigene Land formulieren. Es muss sich auf das persönlich Wünschenswerte ausrichten und darf vom Wahrscheinlichen und auch vom voraussichtlich Möglichen abweichen.

Im Sinne eines persönlichen, von keinem Gremium abgesegneten Entwurfs postuliere ich für die Zukunft der Schweiz folgendes Programm und fordere Sie alle zur kritischen Stellungnahme auf:

10 Programmpunkte für eine liberale Schweiz

  1. Universelle Offenheit in Kombination mit prinzipieller Nichteinmischung und Nichtintervention, kein EU-Beitritt
  2. Freihandel im Rahmen des langfristigen und intelligenten Eigeninteresses
  3. Ein geordneter Rückzug aus dem umverteilenden Daseinsvorsorgestaat
  4. Weniger Staatsapparat und weniger Steuern, weniger Staatsintervention, mehr Wettbewerb (vor allem mehr Steuerwettbewerb!) zwischen non-zentralen Gebietskörperschaften, Abbau der Steuerprogression
  5. Eine auf Miliz und Gesamtverteidigung basierende und auf Bündnisse und Auslandeinsätze verzichtende und auf das wirklich Not-wendige ausgerichtete Landesverteidigung
  6. Eine auf das Eigeninteresse des Landes ausgerichtete und wettbewerbsfördernde Einwanderungspolitik
  7. Eine schrittweise Herauslösung der sozialpolitischen Motive aus der Gesundheits-, Bildungs-. Energie- und Verkehrspolitik und eine Hinüberführung dieser für die Zukunft zentralen Dienstleistungsbereiche aus der staatsmonopolistischen bzw. zentral-interventionistischen Gemischt- und Planwirtschaft in die Marktwirtschaft. Die Benutzer bzw. Kunden sollen letztlich volle Preise bezahlen und der Staat hat sich sozialpolitisch auf subsidiäre Subjekthilfe zu beschränken
  8. Eine Sozialpolitik die für Benachteiligte und Unbemittelte (aber höchstens für 10 Prozent der Bevölkerung) non-zentral und personenbezogen die allgemeine Grundversorgung „bevormundend“ finanziert bzw. vorfinanziert
  9. Eine Umweltpolitik, die auf dem Privateigentum und dem ökonomischen Prinzip „je knapper desto teurer“ basiert
  10. Im übrigen: „Wirtschaft ist Sache der Wirtschaft“, „Familie ist Sache der Familie“ und „Kultur ist Sache der Kultur“, also weder eine nationale Wirtschafts-, noch eine nationale Familien- noch eine nationale Kulturpolitik.

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