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Der hohe Preis der Freiheit

Lesedauer: 3 Minuten

(NZZ – WIRTSCHAFT – Montag, 30. Juni 2008, Nr. 150, Seite 17)

Die Hayek-Tage zu Zwangsabgaben und Zwangsvorgaben

Von Michael Wolgemuth*

Der Staat verlangt einen immer höheren Preis für Leistungen, zu denen längst nicht mehr nur der Schutz von Freiheit, Sicherheit und Eigentum seiner Bürger gehört. An den Hayek-Tagen in Freiburg i. Br. wurde erörtert, ob dieses Angebot seinen Preis noch wert ist.

Die Friedrich-A.-von-Hayek-Gesellschaft traf sich zur alljährlichen Konferenz an der letzten Wirkungsstätte ihres Namensgebers. In Freiburg i. Br. konnte sie zudem ihr 10-jähriges Bestehen feiern. Den inzwischen über 180 Mitgliedern des Vereins liberal gesinnter Persönlichkeiten war freilich nur in Massen zum Feiern zumute. Grund sind zwei Arten inflationierter freiheitsbedrohender «Preise»: Zwangsabgaben (Steuern) und Zwangsvorgaben (Regulierungen).

Repression fördert Schattenwirtschaft

Charles B. Blankart, Schweizer Finanzwissenschafter in Berlin (Humboldt-Universität), äusserte sich in seiner Hayek-Vorlesung vor allem zu Zwangsabgaben und dem «Preis der Steuerehrlichkeit». Zunächst hielt er fest, dass der redliche Steuerzahler gar keinen echten oder gerechten Preis zahle, da Steuern schliesslich so definiert sind, dass ihnen keine konkrete Gegenleistung gegenüberstehen darf. Der Steuerbürger leiste vielmehr «Vorkasse aus Vertrauen in den Staat». Gerade in Deutschland sei dieses Vertrauen aber deutlich geringer als etwa in der Schweiz. Durch Schattenwirtschaft und echte Steuerhinterziehung entgingen dem deutschen Fiskus etwa 6% des Bruttoinlandprodukts. Die typisch deutsche Reaktion, deshalb den angedrohten Preis der Steuerunehrlichkeit durch höhere Strafen und mehr Fahndung bei nachlassender rechtsstaatlicher Beisshemmung (ein benachbarter Kleinstaat wurde genannt) zu erhöhen, sei indes viel teurer als gedacht. Zunehmende Repression führe nachweislich zu vermehrter Abwanderung in die Schattenwirtschaft oder ins Ausland. Um Vertrauen zu schaffen, müsse vielmehr das Prinzip der erfahrbaren und mitbestimmten Gegenleistung grösseres Gewicht bekommen. Kurzum: mehr Akzeptanz durch direkte Demokratie, mehr Unmittelbarkeit durch Objektsteuern, weniger Anreize zur Umsatzsteuerhinterziehung durch Anwendung des Ursprungslandprinzips, und schliesslich auch Abschaffung der Zinsertragssteuer, die im Verein mit der Erbschaftssteuer langfristige Geldanlagen zugunsten eigener Kinder zur frustrierend fetten Beute von Vater Staat mache.

Auszeichnungen für Nef und Smith

Einem weiteren Schweizer, Robert Nef (Liberales Institut, Zürich), wurde, wie auch dem US-Amerikaner Vernon Smith (Nobelpreis für Ökonomie 2002), dieses Jahr der Preis der Freiheit in Form der Hayek-Medaille verliehen. In ihren Vorträgen wurden die beiden Seiten der Medaille tiefgreifend analysiert, die die Freiheit ausmachen: ein liberaler Staat und ein wettbewerblicher Markt. Robert Nef stellte sich der Frage «Das Mehrheitsprinzip – Bedrohung oder Hort der Freiheit?». In einer raffinierten Tour d’Horizon sensibilisierte Nef seine Zuhörer für all die Argumente, die auch seine eigene Einstellung zur Demokratie prägen – zwischen «rationaler Skepsis» und emotionaler Zuneigung». Seine liberale Skepsis gilt «Athen» als Sinnbild einer unbeschränkten Mehrheitsherrschaft, eines selbstverständlichen Primats der Politik, die auch gegen die Freiheit von Minderheiten erzwungen werden dürfe. Die liberale Zuneigung Nefs dagegen gilt den beiden Appenzell. Im «Häämetli» habe eine dezentralisierte direkte Demokratie, die sich selbst bescheide und begrenze, durchaus freiheits- und gemeinschaftsfördernde Wirkung. Selbstbestimmung gehe schliesslich vor Mitbestimmung.

Das hat Hayek sehr ähnlich gesehen: Nur eine durch allgemein bindende Regeln gerechten Regierungsverhaltens begrenzte Demokratie gehöre zu den besten aller schlechten Formen notwendiger staatlicher Ausübung legitimen Zwangs. Ähnliches gilt für die andere Seite der Medaille: Nur die spontane Ordnung des Marktes könne auf allgemeine Regeln gerechten Verhaltens rekurrieren und zudem all das an Wissen und Leistung sozial nutzbar machen, was notwendig ist, um den Wohlstand zu generieren, ohne den wir weder frei noch gedeihlich leben könnten. Hayeks durch vielerlei Überlegungen schon in den 1930er Jahren gewonnene Einsichten wurden durch das fatale Grossexperiment sozialistischer Planwirtschaft spätestens in den 1980er Jahren bestätigt. Hayeks Argumente wurden freilich gerade von den Ökonomen des neoklassischen Mainstreams ignoriert, schliesslich konnte er kein mathematisches Gleichgewichtsmodell für seine Prophezeiung vorweisen. Hayek hätte es heute äusserst schwer, einen Ökonomie-Lehrstuhl zu bekommen.

Umso bemerkenswerter ist es, dass mit Vernon Smith ein Ökonom, der die heute blühende Disziplin der experimentellen Ökonomik begründet hat, in seinem Vortrag bekannte, er habe im Labor exakt das nachgewiesen, was Hayek schon lange zuvor ohne kontrollierte und quantitativ auswertbare Experimente beschrieben habe. Nämlich: Nur auf freien Märkten können die Pläne von Anbietern und Nachfragern, die wenig bis nichts Konkretes über die Pläne potenzieller Tauschpartner kennen, in einer Weise koordiniert werden, dass all diese Pläne die bestmögliche Chance zur allseitigen Verwirklichung haben. Menschen, die in Freiheit und Wettbewerb auf dem Markt kooperieren, kreieren ungeplant Preise, aber auch generalisierte Verhaltenserwartungen (Institutionen), wie Smith ebenfalls sehr hayekianisch entdeckte. Dieses «Preissystem der Freiheit» wird zum zentralen Generator von Wohlstand – wie auch schon Adam Smith wusste.

Anders verhält es sich, wenn Zwangsabgaben und Zwangsvorgaben versuchen, spontanen und freien Ordnungen einen von Interessengruppen geforderten sozial- oder umweltpolitisch «korrekten» Preis aufzunötigen. Ein auch von erklärten Klima-Skeptikern besetztes Podium betonte in Freiburg mit vielerlei Beispielen den schon jetzt horrenden Preis, den vor allem Propheten einer Klimakatastrophe der ökonomischen wie ökologischen Vernunft, aber auch der wissenschaftlichen Redlichkeit und damit nicht zuletzt der Freiheit aufnötigen. Wie soziale Sicherheit darf auch gesunde Umwelt einen Preis haben, der nicht nur auf Märkten gebildet werden kann. Das rechtfertigt aber nicht einen Staat, der Wucherrechnungen für wenig zielführende Politiken ausstellt. Noch weniger darf die Freiheit der Bürger billig preisgegeben werden.


* PD Dr. Michael Wohlgemuth ist geschäftsführender Forschungsreferent am Walter-Eucken-Institut in Freiburg im Breisgau.

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