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Aymo Brunetti: Volkswirtschaftslehre – Eine Einführung für die Schweiz

Lesedauer: 3 Minuten

(Schweizer Monat – Kultur – Ausgabe 954 – Juni 2007)

Bern: h.e.p. Verlag, Ott Verlag, 2006

Der Autor, der an den Universitäten Basel, Bern und Saarbrücken volkswirtschaftliche Einführungsvorlesungen gehalten hat, ist heute als Leiter der Direktion für Wirtschaftspolitik im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) sowohl mit Fachleuten aus verschiedenen Sozialwissenschaften als auch mit Politikern, Interessenvertretern und Medienschaffenden konfrontiert. Er kennt die Probleme, die im Zusammenhang mit ökonomischen Fragestellungen immer wieder zu Miss-verständnissen führen. Es wäre voreilig, das oft erschreckende Defizit an ökonomischen Grundkenntnissen, dem wir in den Medien und in der Politik täglich begegnen, ausschliesslich den jeweils Beteiligten anzukreiden oder einem Schulsystem, in dem man der Wirtschaft immer noch mit Vorurteilen begegnet. Ein Teil der Verantwortung dafür liegt auch bei den Vertretern des Faches selbst. Nur wenige haben die Geduld, das pädagogische Geschick und die Gabe der Formulierung und Darstellung, die es braucht, um die komplexen Sachverhalte einer arbeitsteiligen, auf dem Austausch von Waren, Dienstleistungen und Kapital beruhenden und global vernetzten Gesellschaft darzustellen und allgemeinverständlich zu erklären.

Aymo Brunetti hat sich der Herausforderung gestellt und ein Lehrbuch verfasst, das sich nicht nur an Studierende der Volkswirtschaft richtet, sondern «an Personen ohne volkswirtschaftliche Vorkenntnisse, die sich vertiefter mit dem Thema befassen möchten». Im Vorwort stellt er selbst die Frage, ob es denn möglich sei, die wichtigsten Konzepte des breiten Themenbereichs «Volkswirtschaft» zu vermitteln, ohne die Leserschaft mit Detailinformationen zu überfahren. Dank einer klaren Gliederung und zahlreichen auch verbal erklärten Graphiken erreicht der Autor sein Ziel. Er erörtert die Themen mit Hilfe einfacher Konzepte, nimmt dort Stellung, wo dies aus wissenschaftlicher Sicht erforderlich ist, und lässt der Diskussion da Spielraum, wo es um wirtschaftspolitische Wertungen geht.

Mit guten Gründen meidet er den in einer globalisierten Wirtschaft veralteten und ideologisch belasteten Begriff «Nationalökonomie» und versucht mit der Bezeichnung «Volkswirtschaft» die immer noch klassische, aber aus wirtschaftspolitischer Sicht ebenfalls nicht unproblematische Unterteilung in Mikro- und Makroökonomie zu unterlaufen. Bei der Diskussion der verschiedenen Bereiche orientiert sich der Autor an folgendem Schema: «Zunächst wird ein Phänomen mit dem jeweils geeigneten der beiden Grundmodelle» – gemeint sind Mikro- und Makroökonomie – «konzeptionell analysiert. Dann wird gezeigt, wie sich die Wirtschaftspolitik in diesem Bereich auswirkt.» Bei allen Themenkreisen ist die Analyse gezielt auf die besondere Situation der Schweiz ausgerichtet.

Die didaktisch aufgebaute Einführung ist auch für den geübten Leser kein Sonntagsspaziergang. Wer sich aber auf die Analysen und Folgerungen einlässt und nach jedem Kapitel versucht, die Verständnis- und Vertiefungsfragen zu beantworten, erweitert nicht nur seinen ökonomischen Horizont, sondern erhält einen umfassenden Einblick in den Grenzbereich von Wirtschaft, Politik und Recht. Die fünf behandelten Themenkreise sind problemorientiert ausgewählt: Wohlstand, Arbeitslosigkeit, Preisstabilität, Staatsfinanzen und Grundkonzepte. Die unkonventionelle Idee, das Grundsätzliche zuletzt abzuhandeln, erweist sich als überaus fruchtbar. Die Einführung bietet weit mehr als nur einen Grundkurs in Volkswirtschaftslehre. Wer sich sorgfältig einliest, wird mit den entscheidenden aktuellen wirtschaftspolitischen Problemen der Schweiz vertraut gemacht und oft gleich an die vorderste Front der aktuellen Diskussion geführt. Dies alles, ohne politisch in eine bestimmte Richtung gedrängt zu werden. Auch wer gegenüber allen Spielarten der wirtschaftspolitischen Intervention (auch gegenüber dem, was der Autor als Mitverantwortlicher der Schweizer Wirtschaftspolitik mit betont positiver Färbung «Förderung» nennt) skeptisch ist und in der aktuellen Realität mehr Staatsversagen als Marktversagen diagnostiziert, wird dieser Einführung generell keine gouvernementale Schlagseite vorwerfen können. Selbst die Frage des EU-Beitritts wird als rein politischer Entscheid charakterisiert, bei dem die ökonomischen Effekte «keine klaren Anhaltspunkte bieten» (S. 124).

Die in der Wirtschaftspolitik am meisten polarisierenden Fragen der sozialpolitisch motivierten Umverteilung werden mit grosser Sachlichkeit abgehandelt. «Sozialpolitische Instrumente sind so zu konzipieren, dass sich die Verteilungsziele mit möglichst geringen Anreizen zur Verschwendung von Ressourcen erreichen lassen» (S. 405). Mit dieser subtilen Formulierung wird auch das heute wenig diskutierte Spannungsfeld zwischen links-etatistischen und grünen Positionen thematisiert. «Ob eine Massnahme auch gerecht ist, lässt sich nur schwer objektiv messen. Natürlich gibt es eine gewisse Einigkeit darüber, ob ein Zustand gerecht ist, aber die genaue Definition von Gerechtigkeit unterscheidet sich von Person zu Person» (S. 404). Die Einführung schliesst nicht nur eine wichtige Lücke in der Literaturgattung volkswirtschaftlicher Lehrmittel. Sie stösst auch methodisch durch den Zugang zu elektronisch abrufbaren Zusatzinformationen in pädagogisches Neuland vor. Damit leistet Brunetti einen wertvollen Beitrag zur wirtschaftspolitischen Diskussion, die in den Medien, in den Behörden aller Stufen und auch im Unterricht auf der Sekundar- und Tertiärstufe noch allzuoft unter einer gefährlichen Kombination von Unwissenheit, Halbwissen, ideologischen Vorurteilen und Missverständnissen leidet.

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Robert Nef
ist Publizist und Autor, Mitglied der Mont Pèlerin Society sowie der Friedrich August von Hayek-Gesellschaft. Nef war von 1991 bis 2008 Redaktor und Mitherausgeber der «Schweizer Monatshefte». Er lebt als freier Publizist in St. Gallen.

Quelle: https://schweizermonat.ch/aymo-brunetti-volkswirtschaftslehre-eine-einfuehrung-fuer-die-schweiz/

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