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Ressourcen – bewirtschaften statt rationieren

Lesedauer: 5 Minuten

(Schweizer Monat – Dossier: «Macht der Ressourcen» – Ausgabe 953 – Mai 2007)

Welche Welt- und Menschenbilder stehen hinter den Ideen, die eine nachhaltige Ressourcennutzung propagieren? Es lassen sich drei Grundtypen unterscheiden: die Welt als Schöpfung Gottes (theozentrisches Weltbild), die Welt als Naturereignis (physiozentrisches Weltbild) und die Welt als Biotop des Menschen (anthropozentrisches Weltbild).

Schwierigkeiten entstehen im Spannungsfeld unterschiedlicher Welt- und Menschenbilder dadurch, dass es nicht immer einfach ist, sich klar für eine der Varianten zu entscheiden. Während man beispielsweise beim Artenschutz der Natur gern einen absoluten Vorrang einräumt, möchte man im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit den Menschen als Treuhänder, Heger und Pfleger sehen, und für das Schicksal der Erde und der Menschheit im Lauf der Jahrtausende und Jahrmillionen beruft man sich gern auf einen Schöpfergott, von dem man sich möglichst viel Wohlwollen erhofft. Die meisten Menschen versuchen die drei Ansätze je nach Situation à la carte zu kombinieren. Sehr oft muss die Umweltpolitik als Religionsersatz herhalten. Der Staat wird in diesem Fall zu jenem Gott, dem sich alle im Interesse aller unterwerfen müssen, zu einer Instanz, die für alles verantwortlich ist, von der Ressourcenverteilung bis zum Klima. Die Staatsdiener und Politiker avancieren zu allzuständigen Funktionären und werden zu einer Art «Priesterkaste», die permanent ihre Nützlichkeit und Unentbehrlichkeit unter Beweis stellen muss. So hat sie ein Motiv, immer höhere Steuern einzutreiben und gleichzeitig Rationierungsprogramme durchzusetzen: weniger zu einem höheren Preis.

Bei einem physiozentrischen Weltbild ist der homo sapiens nur eine Episode, in der sich eine Säugetierart besonders wirksam in Szene setzte und spätestens dann wieder verschwinden wird, wenn die geophysikalischen Bedingungen für ihr physisches Überleben nicht mehr vorhanden sind. Das kann in X Millionen Jahren der Fall sein, möglicherweise aber auch schon viel früher, sei es mit oder ohne menschliche Eingriffe. Die Natur als solche kümmert es wenig. Sie adaptiert sich immer an die jeweiligen Randbedingungen und braucht keine Anwälte ­– bei wem denn auch und für wen oder was? Es ist ihr gleichgültig, wenn der homo sapiens als vorherrschender Hauptnutzer oder -schädling durch Ratten, Insekten, Einzeller oder Algen abgelöst wird und schliesslich tierisches und pflanzliches Leben auf dem Planeten Erde einmal ganz erlischt.

Die Technik ist überspitzt schon als «Experiment der Natur mit dem Menschen» gedeutet worden, ein Experiment, das für die Natur – mit oder ohne Mensch – eigentlich gar nicht schiefgehen kann, es sei denn, man sehe den Menschen als Verantwortungsträger, der «höheres» Leben gegen primitiveres Leben und primitiveres Leben gegen tote Materie verteidigen muss – im Auftrag eines Schöpfergottes oder im selbstgewählten beziehungsweise -erteilten Auftrag.

Damit sind wir beim anthropozentrischen Weltbild, das wohl von niemandem ganz ausgeklammert werden kann: nachhaltige Ressourcennutzung im Interesse des Menschen selbst, Umweltschutz als «Pflege des Gartens», in dem auch noch Kinder und Kindeskinder leben wollen, Ressourcenmarkt und Umweltschutz als erweiterte, intelligente Sorge um den jeweiligen Biotop, um Erb und Eigen im weitesten und besten Sinn: Ökologie als vernünftige Ökonomie.

Nach dem theozentrischen Weltbild ist die Welt Gottes Schöpfung. Wer als «religiös Unmusikalischer» mit dem Begriff «Schöpfung» nichts anzufangen vermag, kann aus liberaler Sicht den Schöpfergott auch durch die «unsichtbare Hand», durch eine «spontane Ordnung» oder durch das Spiel des Zufalls ersetzen, aber nicht durch den Staat oder eine Weltregierung und auch nicht durch sich selbst. Es gibt offensichtlich hochkomplexe Phänomene, die sich der individuellen und der organisierten Beeinflussbarkeit entziehen. Der Mensch kann ein persönliches Verantwortungsbewusstsein nur als Träger und Mitträger innerhalb eines erlebbaren und überschaubaren Rahmens entwickeln. Als Totalverantwortliche für die Welt(un)ordnung und als Zwangsmitglied einer Gemeinschaft mit dem Auftrag der umfassenden Welterhaltung und Weltverbesserung fühlen sich die Menschen meistens hoffnungslos überfordert und ersetzen dann den eigenen Machbarkeitswahn früher oder später durch einen resignierten Fatalismus oder durch die Hoffung auf eine mächtige Führung. Welches Weltbild führt am ehesten zu jener intrinsischen Motivation, die einen ressourcenschonenden Umgang mit der Umwelt nahelegt? Meine Antwort: eine ideale Gemeinschaft, die die Welt als Schöpfung, das heisst als letztlich unerklärliches ganzheitliches, aber insgesamt wohlwollendes Projekt deutet, das konsequent auf Privatautonomie basiert und an ein aufgeklärtes Eigeninteresse und an die Nächstenliebe appelliert. Sie könnte wohl die denkbar mitwelt-, umwelt- und nachweltverträglichste Ordnung garantieren, ist aber weltweit nirgends voll verwirklicht.

Ein nachhaltiger, das heisst die Substanz wahrender, längerfristig auch ohne prinzipielle Veränderung praktizierbarer pfleglicher Umgang mit der Natur beraubt den Menschen nicht der Freiheit, denn Freiheit zu Lasten Dritter und zu Lasten kommender Generationen zerstört sich auf die Dauer selbst. Das Bedürfnis, dafür zu sorgen, dass es Nachkommen einmal gleich gut oder besser haben als wir selbst, ist kein schlechter Bestandteil unserer Kultur, und der weit verbreitete Spruch «das ist doch nicht mein Problem» widerspricht der liberalen Grundhaltung der Sympathie. Sie ist, wie schon Adam Smith betont hat, eine Voraussetzung des gedeihlichen Wirtschaftens und Zusammenlebens. Wer eine Familie hat, tendiert dazu, sich für Nachhaltigkeit im kleineren Rahmen zu interessieren. Ich halte es zum Beispiel für eine Verschlechterung meiner Lebensqualität und der Lebensqualität meiner Kinder und Enkel, wenn es an meinem Ferienort keine Blumenwiesen und keine Schmetterlinge mehr gibt, weil die Wiesen überdüngt werden – finanziert durch Landwirtschaftssubventionen.

Wer Blumenwiesen und Schmetterlingen nachtrauert, ist nicht einfach fortschrittsfeindlich und sentimental. Vieles, was als technischer Fortschritt gedeutet wird, geschieht vielleicht gar nicht aus ökonomischen Motiven, sondern ist eine fatale Folge staatlicher Fehlinterventionen. Vielleicht müssen wir als Liberale bei der Ökologie und bei den «grünen Anliegen» lernen, zwischen einer Nachhaltigkeitsneurose und berechtigten Anliegen der Kultivierung des Vorhandenen und des überlieferten Erbes zu unterscheiden. Privateigentum, Familie, Erbrecht, Vertragsrecht und Haftpflichtrecht sind in einer subtilen Weise miteinander verknüpft und liefern sich gegenseitig die Motive ihrer Rechtfertigung aus dem Geist der Freiheit und der Sorge um die Kultivierung des Gartens, in dem wir leben und in dem es auch unseren Nachkommen möglichst wohl sein sollte. Es gehört zu den wesentlichen Motiven der Freiheit, dass man seine Privatautonomie im Dienste derjenigen nutzt, die man mag und denen man sich verbunden fühlt, auch über die Generationen hinweg. In diesen überschaubaren Lebens- und Zeiträumen macht die Verknüpfung von «grün» und «liberal» durchaus Sinn.

Der Staat sollte in historischer Perspektive nicht nur als oberster Umweltverantwortlicher, Ressourcenverteiler und Umweltschützer gesehen werden, sondern auch als Naturausbeuter, Ressourcenverschleuderer und potentieller Umweltzerstörer. Die Frage, was denn der real existierende Staat als Ressourceneigentümer bzw. -obereigentümer, als Infrastrukturbetreiber und -subventionierer (das heisst -verbilliger) und als Gross-Umverteiler alles selbst direkt und indirekt an Umweltschäden anrichtet und (zum Teil ungewollt) fördert, darf und muss gestellt werden. Bevor man den Staat als ökologischen «Freund und Helfer» sieht, sollte man ihn (nicht nur als Akteur, sondern auch als Verursacher und Mitverursacher ungewollter Nebenwirkungen) als ganzes einmal einer Umwelt- und Nachweltverträglichkeitsprüfung unterstellen. Je totaler nämlich der Staat in der Vergangenheit war, desto totaler war jeweils die Umweltzerstörung und desto ineffizienter der Ressourceneinsatz.

Dass er nun plötzlich in Zukunft weltweit zum hauptverantwortlichen Ressourcenverteiler und -umverteiler avancieren soll, um durch «mehr Staat» den Schutz, beziehungsweise eine nachhaltige Bewirtschaftung der Umwelt sicherzustellen, ist eine gefährliche Illusion staatsgläubiger Ökologisten. Der Staat hat als eigenmächtiger Ressourcenmanager schon allzu häufig versagt. Schranken sind – auch im Ressourcen- und Umweltbereich – primär gegenüber den ausufernden und allzu häufig nicht nachhaltig praktizierbaren Staatsaktivitäten zu setzen, während sich auch diesbezüglich die Ökonomie bei der Bewirtschaftung knapper Güter sehr oft als die bessere Managerin erweist.

Robert Nef
ist Publizist und Autor, Mitglied der Mont Pèlerin Society sowie der Friedrich August von Hayek-Gesellschaft. Nef war von 1991 bis 2008 Redaktor und Mitherausgeber der «Schweizer Monatshefte». Er lebt als freier Publizist in St. Gallen.

Quelle: https://schweizermonat.ch/8-ressourcen-bewirtschaften-statt-rationieren/

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