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Familie – Erb und Eigen

Lesedauer: 2 Minuten

Ich bin “von Haus aus” Jurist und trotzdem (oder deswegen?) gegenüber einer rein juristischen Betrachtungsweise des Erbens skeptisch. Das Erben muss nicht von seinen Intentionen und Motiven her, sondern von seinen Auswirkungen auf eine wirtschaftlich bzw. kapitalistisch vernetzte Gesellschaft (sozio-kulturell, sozio-ökonomisch) auf dem Hintergrund eines umfassenden Lebensunternehmertums beurteilt werden, das wiederum eng verknüpft ist mit den Staatsinterventionen im Alters- und Bildungsbereich.

Wahrscheinlich ist sogar das Privateigentum als solches aus dem “Geist des Erbens” entstanden. Stiftung (Anstalt) und Körperschaft sind ebenfalls Formen des generationenübergreifenden Dauerhaft-Machens von Kapital, das über diese Institutionen (d.h. über die tote und über die lebendige Hand) permanent verteilt und umverteilt wird, in einer komplexen Kombination von Willkür, Zufall und Kalkül. Sicher sind “Erb und Eigen” im Spannungsfeld von Familie, Sippe und Staat gesellschaftssteuernde Institutionen, die man nicht unterschätzen sollte. Ich weiss nicht, ob die real existierende Chance, reich zu werden oder zu bleiben eher über Leistung (Arbeitsmarkt), oder über Spekulation, Glück, Heirat oder über die “Auswahl der richtigen Eltern” führt, und ich kenne auch keine diesbezüglichen Statistiken, die ohnehin mit Vorsicht zu geniessen wären.

Wer hier mit der Kategorie “Gerechtigkeit” einfährt und beispielsweise nur “Leistung” für “gerecht” hält, oder die permanente bzw. periodische zwangsweise “Pro-Kopf-Aufteilung” durch eine zentrale Institution, landet schnell einmal bei egalitären und staatsmonopolistischen Modellen. Das familienvermittelte Kapital, das ja nicht nur im Todesfall die Hand wechselt, sondern auch – je nach Erbrecht – tropfenweise (als Geschenk, Darlehen, Investition etc…) unter Lebenden von Generation zu Generation sickert, ist jedenfalls eine nicht zu vernachlässigende, aber schwer mess- und besteuerbare Grösse.

Die Erforschung der Ökonomie der Familie, die auch subtile Tauschgeschäfte und nichtmonetäre Grössen miteinschliesst, steckt noch in den Anfängen. Die bisherigen Kosten-Nutzenrechnungen der Kinderaufzucht sind ziemlich primitiv und m.E. zu kostenorientiert und vor allem von der unfassenden Altersvorsorge abgekoppelt. Während Jahrtausenden waren eigene Kinder die “erste Säule” der Altervorsorge, heute sind es die Kinder der andern. Möglicherweise sind beim Erbrecht die Umgehungstaktiken und die ungewollten positiven und negativen Nebenwirkungen und die Langzeitwirkungen (bis und mit Demographie – An- und Abreize zu Emigration und Immigration) wichtiger als die Institutionen selbst.

Tatsächlich haben privates Grundeigentum, Ahnenkult und Familie viel miteinander zu tun. Im alten China war das eigene Grundstück gleichzeitig auch der Bestattungsort der Ahnen, was nicht ohne Einfluss auf den Grundstücksmarkt blieb, aber auch einen ökologisch sorgfältigen Umgang mit dem Boden als Existenzgrundlage der nächsten Generationen förderte. Eine aufgeklärte Form des Ahnenkults, der darin besteht, dass man das Prinzip “Du sollst Vater und Mutter ehren, auf dass Du lange lebest”, sorgfältig und nachhaltig als – auch wirtschaftlich – wertvolles Kulturgut tradiert, ist möglicherweise eine effizientere, kulturell und ökonomisch robustere Form der Altersvorsorge als die “Rentenlüge”, bzw. das Umlageverfahren nach Beveridge, das auch demographisch zu einer Art Selbstausrottung führen könnte.

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