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Interview zum Bildungssystem

Lesedauer: 2 Minuten

(Akademikerzeitung)

Robert Nef ist Leiter des Think Tanks „Liberales Institut“ und Herausgeber der „Schweizer Monatshefte“. Das heutige Bildungssystem sei noch zu sehr auf die Industriegesellschaft des 19. Jahrhunderts ausgerichtet. In einem Interview mit der Akademikerzeitung fordert Nef nun einen Mix aus Berufspraxis und Bildung für alle Stufen.
 
AkZ: Herr Nef, was bedeutet für Sie Bildung?

Nef: Bildung soll den Menschen zur Freiheit führen und ihm eine Vielfalt von Werten vermitteln.

AkZ: Was macht die Qualität der Bildung aus?

Nef: Die Qualität hängt davon ab, wie stark sie in der Lage ist, die wertvollen Bestandteile unserer Tradition zu wahren und weiterzuentwickeln.

AkZ: Kann das Schweizer Bildungssystem heutigen Anforderungen gerecht werden?

Nef: Ich bin ein Befürworter des dualen Bildungswesens. Die frühe Kombination von praktischer Arbeit und Lernen ist ganz wichtig. Ich selbst habe einen klassischen Bildungsweg gehabt. Neben der Schule habe ich aber immer wieder zusätzliche Herausforderungen gesucht, bspw. in Orchestern, bei den Pfadfindern oder in der Studentenverbindung. Rückblickend muss ich sagen, dass ich dabei deutlich mehr gelernt habe als an den jeweiligen Bildungsanstalten.

AkZ: Manche Politiker fordern, dass befristete Arbeitseinsätze neben der Schule möglich sein sollten. Teilen Sie diese Ansicht?

Nef: Ich befürworte frei gewählte Mischformen von Lernen, Arbeit und Freizeit. Ich habe Mühe, wenn solche Dinge allzu sehr reguliert werden. Die Forderung nach Arbeitseinsätzen sollte sich eher an die Arbeitswelt richten. Für Arbeitsaktivitäten junger Menschen sollte es keine Altersgrenze geben. Die Kompetenz der Eltern und Kinder halte ich für gross genug, um sich gegen allfällige Missbräuche zu wehren.

AkZ: An Mittelschulen gibt es Disziplinprobleme und Jugendgewalt. Was sind die Ursachen dafür?

Nef: Die Gründe liegen viel tiefer als allgemein angenommen wird. Sie hängen mit der Tatsache zusammen, dass die Vollzeitschule nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Man hat die Abhängigkeit der Jugendlichen von Institutionen in einem Ausmass akzeptiert, das viele junge Menschen als Fessel empfinden, aus der sie dann ausbrechen wollen. Die Schule als Institution, wo man junge Menschen so lange wie möglich fernab jeglicher produktiven Tätigkeit „kaserniert“, muss in Frage gestellt werden.

AkZ: Eine Folge der Abwertung der Mittelschulen ist die zunehmende Akademisierung der Bevölkerung. Wo sehen Sie die Chancen, wo die Risiken dieser Entwicklung?

Nef: Das Risiko besteht darin, dass ein Studium von vielen als Verlängerung der obligatorischen Vollzeitschule verstanden wird. Die Chance ist, dass die Hochschulen neue Mischformen der Berufspraxis und der dauernden Wissensvermittlung ermöglichen, so dass die Phase des Wissenserwerbs nicht mehr zwingend während der Jugendzeit stattfinden muss.

AkZ: Welche Möglichkeiten bestehen, um die Berufstauglichkeit der Studierenden zu erhöhen?

Nef: Aus meiner Sicht besteht ein hoher Deregulierungsbedarf, der dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft Rechnung trägt. Wir koppeln derzeit unser veraltetes Bildungssystem an ein nicht mehr vorhandenes Beschäftigungssystem aus der Industriezeit.

AkZ: Wie kann man die Zusammenarbeit zwischen Universität und Wirtschaft verbessern?

Nef: Den Hauptengpass sehe ich darin, dass zu wenig Experimente in diesem Bereich möglich sind. Eines meiner wichtigsten Postulate ist deshalb die Schaffung einer qualitativ hochstehenden privaten Universität in der Schweiz.
 

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