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Intellektueller Antiintellektualismus

Lesedauer: 2 Minuten


(Schweizer Monatshefte – Heft 11, 2002 – Seite 50)

BUCHHINWEIS

Roland Baader, totgedacht, Warum Intellektuelle unsere Welt zerstören, Resch Verlag, Gräfelfing 2002.

Der Franzose Julien Benda hat in seinem berühmten Buch «La trahision des clercs» den Verrat aufgedeckt, den die Intelligenzia häufig dadurch beging, dass sie sich unkritisch anpasste und den Opportunismus zu ihrem Dogma machte. Roland Baader geht in seiner scharfen Intellektuellenschelte noch weiter. Er nimmt vor allem jene Intellektuellen ins Visier, welche sich als Antikapitalisten und Antiliberale profiliert haben, und das ist in Europa, und speziell auch in Deutschland, die überwiegende Mehrheit.

Er bezichtigt sie nicht nur des Mitläufertums und des Buhlens um die Gunst der Mächtigen, er wirft ihnen auch vor, dass sie den falschen Ton angeben, und er belegt dies mit einer eindrücklichen Fülle von Beispielen. Was kurz vor der tatsächlichen Wiedervereinigung zu diesem Thema von linker Seite im Westen Deutschlands an intellektuellem Schrott produziert worden ist, lässt sich durchaus mit der ganzen industriellen Fehlproduktion in der DDR vergleichen.

Gerhard Schröder äusserte noch im Juni 1989, man sollte eine neue Generation in Deutschland «nicht über die Chancen der Wiedervereinigung belügen. Es gibt sie nicht.» Und Joschka Fischer meinte am 27. Juli desselben Jahres wörtlich «das Wiedervereinigungsgetöne unterminiert alle Ansätze einer vernünftigen deutsch-deutschen Politik» (Seite 64 ff.).

Wenn an solches heute erinnert wird, so ist das mehr als nur der Ausdruck von Schadenfreude über Fehlprognosen, sondern die heilsame Schliessung von Erinnerungslücken. Während in Frankreich schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg die Kritik an den Meisterdenkern einsetzte und später zu einer eigenen Schule wurde, sind es in der Bundesrepublik immer noch die Aussenseiter, die darüber schreiben und Bücher herausgeben.

Baaders Feldzug eines privaten Intellektuellen gegen die öffentlichen Intellektuellen ist ein erfrischender Befreiungsschlag eines Pessimisten, der nicht bereit ist, vor seinem eigenen Pessimismus zu kapitulieren. Er klagt nicht nur an, sondern zeigt auch Alternativen, beispielsweise die Privatisierung des Bildungswesens. Um allerdings ein solches Programm zu realisieren, bräuchte es noch mehr Denker, Kämpfer und auch Verleger auf dieser Seite.

Schweizer Monatshefte – Heft 11, 2002 – Seite 50

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