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Mobilität und Blockierung

Lesedauer: 2 Minuten


(Schweizer Monatshefte – Heft 10, 2002 – Seite 1)

EDITORIAL

Im Bereich des Automobilverkehrs gehört die Dialektik zwischen Mobilität und Selbstblockierung zur Alltagserfahrung. Das Ziel «Schnell, immer schneller» führt in Kombination mit dem Ziel «Mehr, immer mehr» letztlich zu einem Kollaps und zeigt einmal mehr, dass man in einer Welt der Knappheit niemals «Alles für alle» gewährleisten und versprechen kann.

Und wer allen das Gleiche verspricht, blockiert schliesslich jenes Wachstum durch Innovationen, welches die Lebensverhältnisse generell und für alle verbessert, allerdings nicht für alle gleichzeitig und auch nicht für alle im gleichen Ausmass. Wir müssen lernen, Netzwerke optimal zu dimensionieren und effizient zu nutzen. Eine vielfältige Vernetzung ist in einer Informations- und Kommunikationsgesellschaft von Vorteil.

Nur sollten die verschiedenen Knoten im Netz beweglich besetzbar bleiben. Die Weiterentwicklung darf nicht durch einen «Filz» von etablierten Hierarchien und Seilschaften blockiert oder in eine einzige Richtung gesteuert werden. «Netze» sind lern- und adaptationsfähig und ermöglichen Mobilität und Flexibilität, während der «Filz» zwischen Managern, Staats-, Wissenschafts- und Kulturfunktionären an überholten Strukturen und an den Moden von gestern festhält.

Eine Koalition der Besitzstandwahrer beherrscht heute in Europa weitgehend das Feld und bewirkt jene Versäulung und Verkrustung, welche eine Entwicklung der Zivilgesellschaft durch eine dynamische Kombination von Erneuern und Bewahren blockiert. Jene, die seinerzeit zu neuen Ufern aufbrechen wollten, verteidigen heute die Schlüsselpositionen in den etablierten Bürokratien, in den Chefetagen, in den Massenmedien und im PR-Apparat der Exekutiven.

Der neue steuerfinanzierte Informations- und Sozialfilz und das alte «Establishment» sind letztlich dasselbe Phänomen. Die Zivilgesellschaft ist als Kommunikations- und Lerngesellschaft auf Persönlichkeiten angewiesen, welche den Mut zum Unpopulären aufbringen und «das Tun des Fälligen» (Georg Kohler) auch dann an die Hand nehmen, wenn es nicht dem Zeitgeist und den vorherrschenden und populären Modetrends entspricht.

ROBERT NEF

Schweizer Monatshefte – Heft 10, 2002 – Seite 1

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