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Gemeindeautonomie und Subsidiarität als Basis des Föderalismus

Lesedauer: 2 Minuten


(Schweizer Monatshefte, Heft 7/8, 2002 – Seite 1)

EDITORIAL

Das Thema «Föderalismus» hat Konjunktur. «Avenir Suisse», der Think Tank der Schweizer Wirtschaft, hat dem Thema eine internationale Tagung gewidmet, deren anregende und kontroverse Resultate in einer Publikation zugänglich gemacht werden sollen. Die Neue Helvetische Gesellschaft hat das Bekenntnis «Föderalismus hat Zukunft» zum Generalthema des Jahrbuchs 2001/2002 gekürt, und an der Universität St. Gallen wird Ende August unter dem Patronat der Schweiz die Internationale Föderalismuskonferenz durchgeführt, die weltweit Beachtung finden dürfte.

Im Föderalismus verbinden sich zwei entgegengesetzte Strömungen: einerseits der Trend zur zentralisierenden und hierarchisierenden Kooperation, welcher der technischen Zivilisation inhärent ist und andererseits der emotional bestimmte Antitrend zur Wahrung der Identität und der Selbstbestimmung kleiner, historisch gewachsener Gemeinschaften, den man als anthropologisches oder als traditionell-kulturell geprägtes Bedürfnis charakterisieren mag.

Der Schweizer Historiker Herbert Lüthy lokalisiert den «lebendigen Inhalt» des schweizerischen Föderalismus nicht in der Kompetenzordnung zwischen Bund und Gliedstaat, sondern in der Gemeindedemokratie «das tragende Fundament einer Stufenordnung der Gemeinschaft, die jede Beratung, Entscheidung und Durchführung öffentlicher Aufgaben dem kleinsten Kreis zuweist, in dem sie sinnvoll stattfinden können».

Dass der «Geist des Föderalismus» nicht konservativ ist, sondern die Übertragung der Idee des Wettbewerbs als Lernprozess und als Entdeckungsverfahren auf politische Gemeinschaften ermöglicht, ist im letzten Jahrzehnt neu entdeckt worden, und es ist wohl kein Zufall, dass es zwei Schweizer Ökonomen waren, welche in empirischen Studien die unbestreitbaren polit-ökonomischen Vorzüge konkurrierender kleiner direktdemokratischer Gemeinwesen aufgezeigt haben: Bruno Frey und Reiner Eichenberger.

Der Föderalismus, ursprünglich eine konservative Ideologie, ist zur empirisch getesteten Basis effizienter und zukunftsträchtiger polit-ökonomischer Strukturen geworden. Dass er letztlich Unvereinbares verbinden will, gehört zu seinem Wesen; seine Vieldeutigkeit birgt einerseits die Gefahr des Missverständnisses, andererseits aber auch die Chance, sich abwechselnd kooperativ und dissident zu verhalten.

ROBERT NEF

Schweizer Monatshefte, Heft 7/8, 2002 – Seite 1

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