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Wettbewerb – auch für Bildung und Gesundheit

Lesedauer: 2 Minuten


(Schweizer Monatshefte – Heft 5, 2002 – Seite 1)

EDITORIAL

Es gehört zu den bis weit ins bürgerliche Lager hinein nicht hinterfragten «Wahrheiten», dass Markt und Wettbewerb im Bereich der Bildung und der Gesundheit grundsätzlich nichts zu suchen hätten und zu völlig unbefriedigenden und ungerechten Resultaten führen würden. Eine begrenzte Zulassung wird nur mit ganz massiven Leitplanken und im Rahmen eng umschriebener «Spielregeln» befürwortet. Werte wie «Effizienzsteigerung» und «Transparenz» gelten als Markenzeichen von besonders asozialen Banausen, die auch noch die letzten Reservate der Mitmenschlichkeit und der Kultur dem Kommerz öffnen wollen. Möglicherweise hat aber die Angst vor dem Wettbewerb gar keine so edlen Motive, sondern dient nur dem Schutz jener Sonderinteressen, die sich in den etablierten und geschützten Monopolbetrieben, auch in öffentlichen Universitäten und Spitälern im Lauf der Jahrzehnte und Jahrhunderte eingenistet haben. Der zentrale Gedanke des Wettbewerbs ist nicht das Gewinnstreben, sondern das individuelle Entdecken des jeweils Gewünschten und Zuträglichen, das sich in Dauer und Wandel immer wieder bewähren muss, kurz: die Privatautonomie mündiger Menschen. Geht es nicht gerade bei Bildung und Gesundheit um Güter, bei denen das Individuum ganz wesentlich mitbestimmt und dazu beiträgt, was denn den individuellen und den sozialen Wert dieser Güter ausmacht? Weder «Gesundheit» und «Bildung» können von staatlichen Veranstaltern kollektiv «ab Stange» an die «Service public»-Benutzer abgegeben werden, die einen wohlfahrtsstaatlich verankerten Rechtsanspruch darauf anmelden. Beide Güter sind auf eine aktive und persönlich gefärbte Mitwirkung der Betroffenen und Beteiligten angewiesen, und die diesbezüglichen Angebote und Nachfragen werden immer vielfältiger, immer flexibler, immer grenzüberschreitender und damit immer weniger kollektivierbar und allgemein verbindlich erzwingbar. Unabhängig von den schwankenden politischen Konjunkturen und unabhängig von den Ideologen (auf beiden Seiten!) wird die Privatisierung auch im Bereich der Bildung und der Gesundheit voranschreiten, weil die zunehmende Komplexität in einer vielfältig vernetzten Kommunikationsgesellschaft mit allgemein verbindlichen, verhaltenssteuernden Zwangsvorschriften und beschränkten Zwangsabgaben gar nicht zu bewältigen ist.

ROBERT NEF

Schweizer Monatshefte – Heft 5, 2002 – Seite 1

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