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Weltoffenheit, Neutralität und aktive Aussenpolitik

Lesedauer: 3 Minuten

(Schweizer Monatshefte – Heft 2, 2002 – Seite 17-18)

DOSSIER AUSSENPOLITIK UND NEUTRALITÄT

Die Schweiz war schon immer ein weltoffenes Land und erst kürzlich erreichte sie in einer internationalen Vergleichsstudie über den Grad der Globalisierung hinter Irland den hervorragenden zweiten Rang. Die Tatsache, dass unser Land in mehrfacher und nicht ausschliesslich positiver Hinsicht ein Sonderfall ist, sollte nicht leichtfertig unter den Tisch gewischt werden. Die Schweiz ist – nicht nur bei Agrarprodukten – ein Hochpreisland. Dies hängt auch — aber nicht nur — mit der Tatsache zusammen, dass wir auch ein Hochlohnland sind mit einem vergleichsweise sehr hohen Lebensstandard und ebenfalls hohen Sozialleistungen. Unsere Konsumentinnen und Konsumenten stellen hohe Qualitätsansprüche, welche speziell bei Dienstleistungen die Preise in die Höhe treiben. Dazu kommen eine ganze Reihe von Regulierungen, welche auf politischen Klientenschutz aller Art zurückzuführen sind, und gegen die es letztlich nur ein Mittel gibt: Deregulierung durch Öffnung, und zwar nicht nur europaweit, sondern weltweit. Die wirtschaftliche Integration in der EU beruht nämlich grösserenteils nicht auf einer konsequenten Deregulierung, sondern auf einer Harmonisierung der verschiedenen Politik- und Interventionsbereiche mit dem Ziel, sich als Binnenmarkt gegenüber dem Weltmarkt besser zu positionieren. Innerhalb des EU-Binnenmarktes nimmt die Regulierungsdichte sogar tendenziell zu, und die Hoffnungen auf einen grossen zusätzlichen Liberalisierungsschub haben sich – wenigstens bisher – nicht bewahrheitet. Darum ist die Begeisterung für eine EUMitgliedschaft gerade bei Anhängern der Weltoffenheit – nicht nur in der Schweiz – in letzter Zeit eher gesunken.

Doch wie steht es mit der Mitgliedschaft bei der politischen Uno? Könnten wir da nicht ein Zeichen setzen für mehr Weltoffenheit, ein Zeichen für uns selbst und für andere? In der laufenden Abstimmungskampagne wird dieser Beitritt zu einem grundsätzlichen «Ja zur Globalisierung», zu einem Bekenntnis zur aussenpolitischen Öffnung und zur internationalen Solidarität emporstilisiert, zu einem definitiven Abschied vom «Sonderfall Schweiz» und zu einer Bestätigung oder gar Bekräftigung der Neutralität.

Auf der ganzen Welt gibt es auch intelligente Leute, welche einen Nichtbeitritt der Schweiz und ihre immerwährende Neutralität nicht als Negativum werten.

Auf der ganzen Welt gibt es auch intelligente Leute, welche einen Nichtbeitritt der Schweiz und ihre immerwährende Neutralität nicht als Negativum werten, sondern unter Umständen sogar als eine Chance. Dies wird kaum je erwähnt. Das bundesrätliche «Statement» «Die ganze Welt wartet auf den Uno-Beitritt der Schweiz» ist mindestens übertrieben. Ausserhalb des Personenkreises von Insidern der Diplomatie und der internationalen Politik gibt es nur eine verschwindend kleine Zahl von Menschen, die überhaupt zur Kenntnis genommen haben, dass die Schweiz bisher einen Uno-Beitritt in Volksabstimmungen abgelehnt hat, und bei dieser ohnehin kleinen Gruppe gibt es nur ganz wenige, die Probleme damit haben und uns mit dem Vorwurf des Rosinenpickens konfrontieren. Erstaunlich viele von diesen Gutinformierten finden es sogar eine begrüssenswerte Idee, dass es einen (oder auch mehrere) Staaten gibt, welche bei der politischen Uno «draussen», und in einem umfassenden Sinn «neutral» bleiben. Sie finden das nicht nur «gut für die Schweiz», sondern allenfalls auch nützlich für die globale Staatenwelt, vor allem auf dem Hintergrund, dass die Uno möglicherweise in Zukunft vermehrt als militärische Intervenientin auftritt, und somit von einzelnen Betroffenen – unabhängig von der völkerrechtlichen Natur des Gewalteinsatzes -, als Konfliktpartei wahrgenommen wird. Es sind durchaus Fälle denkbar, in denen ein Neutraler ausserhalb der mit Militär- und Wirtschaftssanktionen engagierten Weltorganisation eine positive Rolle spielen könnte.

In den folgenden Beiträgen werden von Befürwortern und Gegnern eines Beitritts einige Gesichtspunkte erläutert, welche unabhängig vom Ausgang der Volksabstimmung auf der aussenpolitischen Traktandenliste bleiben. In den beiden folgenden Textausschnitten zur Neutralität der Schweiz verbinden sich historisch gewordene Werthaltungen mit Grundwerten des schweizerischen Selbstverständnisses. Sie provozieren die Frage, ob das Bedürfnis nach Konstanz oder die Herausforderung zum Wandel überwiegt.

Schweizer Monatshefte – Heft 2, 2002 – Seite 17-18

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