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Homo oeconomicus – homo politicus

Lesedauer: 2 Minuten


(Schweizer Monatshefte – Heft 3, 2001 – Seite 1)

EDITORIAL

Das Bild vom homo oeconomicus wird immer noch durch zahlreiche wirtschaftsfeindliche Vorurteile verzerrt. Man akzeptiert zwar die Wirtschaft als «notwendiges Übel», das die materiellen Voraussetzungen für ein besseres Leben schafft, aber nur solange ihre angebliche Urkraft, das rein materialistische Geld- und Profitdenken, durch möglichst wirksame politische Schranken gezähmt werden kann. Der Politik werden hingegen — oft recht unkritisch — allerhand edle Motive zugunsten des Gemeinwohls zugebilligt, während man die Bedeutung des persönlichen Machtstrebens eher herunterspielt. Der homo oeconomicus ist aus dieser Sicht von Natur aus ein egoistisches Lebewesen, während der homo politicus — geeignete Strukturen vorausgesetzt — das Gemeinwohl erkennt und zu seinem Ziel macht.

Die neuere Sozialwissenschaft ist daran, solche Vorurteile zu hinterfragen und zu überwinden. Die Vorstellung vom homo oeconomicus ist sehr viel differenzierter geworden, und der homo politicus wird — zu Recht — viel illusionsloser und kritischer beurteilt. Als ökonomisches Hauptmotiv gilt zwar immer noch die Optimierung des persönlichen Glücks, dass dies aber am besten durch kruden Egoismus zu erreichen sei, ist durch die Alltagserfahrung und durch die empirische Forschung widerlegt worden. Schon Adam Smith hat erkannt, dass eine Mehrheit der Menschen normalerweise stets nach einer Verbindung von Eigennutz und Sympathie strebt. Bei der menschlichen Strategie, sein Glück zu optimieren, spielt der rein materielle Vorteil nicht die Hauptrolle. Der Mensch will nicht nur immer mehr materielle Güter, er dürstet auch nach Wertschätzung, Anerkennung, Beachtung, Berühmtheit, Vertrauen und Liebe, alles Dinge, die durch Geld oder allein durch Geld nicht erworben werden können. Auf diesem Hintergrund ist auch der wertende Gegensatz zwischen dem homo oeconomicus und dem homo politicus zu revidieren. Es gibt eine ökonomische Analyse der Politik und eine politische Analyse der Ökonomie, welche die eingangs erwähnten Vorurteile und Illusionen überwinden hilft. Aus dieser Sichtweise verschwindet auch das konservative und etatistische Bedauern über den Bedeutungsschwund der Politik, und die zunehmend privatautonomen Mitglieder der Zivilgesellschaft werden in die Lage versetzt, die Politik so ökonomisch-kreativ zu deuten, wie dies Romano Guardini formuliert hat, nämlich als «Kunst, alle lebendigen Kräfte zu sehen, die da sind, und sie zu verbinden.»

ROBERT NEF

Schweizer Monatshefte – Heft 3, 2001 – Seite 1

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