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Mehr Mündigkeit, auch im Gesundheitswesen

Lesedauer: 2 Minuten

(Schweizer Monatshefte – Heft 10, 2000 – Seite 1)

EDITORIAL

Das schweizerische Gesundheitswesen basiert auf einer komplexen Mischung von Verantwortlichkeiten, an denen die pflichtversicherten Individuen, die Krankenkassen und Krankenversicherungen sowie die Gemeinden, Kantone und der Bund teilhaben. Die im Jahre 1996 in Kraft getretene Revision des Eidgenössischen Krankenversicherungsgesetzes (KVG) brachte mehr Wettbewerb und eine erhöhte wirtschaftliche Selbstverantwortung der Krankenkassen mit sich, löste aber die enge Verbindung von Gesundheitspolitik und Sozialpolitik nicht auf. Das Thema Krankenversicherungsreform bleibt auch in der Schweiz auf der politischen Traktandenliste.

Die Krankenversicherung soll in erster Linie die Mündigkeit des Menschen respektieren, die Eigenverantwortung stärken und Spielraum für freie Wahlentscheide lassen. Sie muss auch wirksame Mechanismen zur Kostendämpfung im kollektiv finanzierten Anteil enthalten. Im individuell finanzierten Bereich sollen alle in ihre Gesundheitsversorgung und -Vorsorge nach eigenen Präferenzen und nach eigener Risikobewertung investieren.

Kostendämpfung als solche ist kein gesundheitspolitisches Ziel. Solange das Preis-/Leistungsverhältnis stimmt, ist gegen steigende Kosten für steigende Qualität nichts einzuwenden. Da Gesundheit ein hohes, wertvolles Gut ist, sind hohe Gesundheitsausgaben, wenn sie auf privatautonomen Entscheiden beruhen, eine positiv zu bewertende Begleiterscheinung wachsenden Wohlstandes. Selbst steigende öffentliche Investitionen in die Gesundheit sind nicht abzulehnen, wenn sie auf einer rationalen kollektiven Entscheidung und auf einem transparenten, nachhaltig praktizierbaren Finanzierungsmodus beruhen. Gesundheitspolitik soll grundsätzlich von der Sozialpolitik getrennt werden und sich auf das Ziel der Qualitätssteigerung konzentrieren. Wieviel Umverteilung damit verbunden werden soll, ist eine sozialpolitische und keine gesundheitspolitische Entscheidung.

Der Staat soll lediglich Rahmenbedingungen setzen, innerhalb derer neue Strukturen nonzentral und in einem Wettbewerb der kleineren Einheiten gefunden werden können.

ROBERT NEF

Schweizer Monatshefte – Heft 10, 2000 – Seite 1

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