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Südafrika – Schweiz, vor und nach 1989

Lesedauer: 2 Minuten


(Schweizer Monatshefte – Heft 2, 2000 – Seite 1)

EDITORIAL

Die Sowjetunion war nicht nur die politische Operationsbasis des Weltkommunismus, sondern auch die letzte auf Expansion ausgerichtete Kolonialmacht. Im Visier der Machtausweitung stand aufgrund der Lage und der Rohstoffe mit hoher Priorität auch Südafrika.

Vor diesem Hintergrund ist die Neutralität der Schweiz und ihre Nichtbeteiligung am Wirtschaftsboykott der achtziger Jahre sehr differenziert zu beurteilen. Ein boykottbedingter wirtschaftlicher Zusammenbruch hätte nämlich vor 1989 sehr wohl zu einem Austausch des Apartheidregimes mit einer sowjetisch dominierten Zentralverwaltungswirtschaft führen können, was die später unter Mandela eingeleitete Normalisierung des Verhältnisses zur Aussenwelt und der Harmonisierung im Inland erschwert, wenn nicht verunmöglicht hätte.

Südafrikas Regierung schaut heute vorwärts, und der «Blick zurück» ist, was die Schweiz betrifft, wie auch von offizieller südafrikanischer Seite bestätigt wird, nicht mit schlechten Erinnerungen belastet. Was steht heute im Mittelpunkt der Beziehungen Südafrika—Schweiz? Südafrika wird oft nur als ein durch ungelöste Probleme belastetes «Entwicklungsland» wahrgenommen. Im Begriff «Entwicklung» steckt aber auch ein grosses Potential an Chancen und Hoffnungen.

Pluralismus hat die Schweiz nicht gelähmt, im Gegenteil, sie hat im Lauf unserer Geschichte zu einem friedlichen Wettbewerb zwischen überlappenden Mehrheiten und Minderheiten geführt. Unsere schweizerischen Erfahrungen mit Wettbewerb, Föderalismus und Freihandel sind nicht direkt auf Südafrika übertragbar, aber ein vertiefter Erfahrungsaustausch darüber kann für beide Partner lehrreich sein. Innenpolitische Toleranz sowie weltweite Offenheit und Vernetzung bilden die Grundlage unseres Wohlstandes. Dieser ist aber auf die Basis ständiger Lern- und Leistungsbereitschaft angewiesen.

Das Verhältnis Schweiz-Südafrika braucht keine rückblickende, ideologische «Aufarbeitung», es braucht einen aktiven Erfahrungsaustausch und eine Kontinuität im gegenseitigen Vertrauen auf die Zukunft beider Partner. Mit andern Worten: kein verzagter Rückzug angesichts von Schwierigkeiten, kein übereiltes Ausweichen an — vielleicht nur scheinbar und kurzfristig — günstigere Standorte, sondern langfristige Investitionen, welche an eine realistische Einschätzung von Chancen anknüpfen.

ROBERT NEF

Schweizer Monatshefte – Heft 2, 2000 – Seite 1

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