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Vom Stellenwert der Arbeit

Lesedauer: 2 Minuten

(Schweizer Monatshefte – Heft 3, 1995 – Seite 1)

EDITORIAL

Arbeit wird im allgemeinen als «berufliche entlöhnte Beschäftigung» definiert. Damit erhält die Arbeit einen zentralen Stellenwert für das materielle Überleben. Die Arbeitslosigkeit wird als Erwerbslosigkeit zu einer Schicksalsfrage, die unmittelbar mit den wichtigsten Lebensbereichen verbunden ist.

Die Vorstellung, dass der arbeitsteiligen Gesellschaft in Zukunft «die Arbeit ausgehen wird», ist verfehlt. Arbeit ist nach ihrer auch im wirtschaftlichen und sozialen Bereich sinnvollen naturwissenschaftlichen Definition «Kraft mal Weg». Es gibt also so viel Arbeit, als es Kombinationen von Kräften und Wegen gibt: unendlich viel. Was stets begrenzt bleibt, ist die Bereitschaft, für bestimmte Kombinationen von Kräften und Wegen ein Entgelt, d. h. einen Lohn zu bezahlen. Der Preis der Arbeit, die Höhe des Erwerbs, spielt im Arbeitsmarkt eine zentrale Rolle, und das rechtfertigt auch die Bezeichnung Erwerbslosigkeit, welche den Anbieter von Arbeitskraft auf den entscheidenden Engpass und die vorhandenen Spielräume aufmerksam macht. Der Arbeitsmarkt ist Bestandteil eines unendlich komplexen Marktorganismus, in welchem politische Interventionen «à la carte» — auch wenn sie noch so gut gemeint sind — in der Regel kontraproduktiv wirken.

Das deutsche Wort «Arbeit» weist sprachgeschichtlich zurück auf «Not, Mühsal» und «Bedrängnis». Das französische «travail» hat seine Wurzel im lateinischen «trepalium», ein Folterinstrument. Die schweizerdeutsch-alemannische Bezeichnung «schaffe» hat hingegen eine positive Bedeutung und verweist auf die schöpferische Komponente menschlicher Tätigkeit, auf die aktive Teilhabe des schaffenden Menschen am göttlichen Tun. Etwas weniger metaphysisch, aber doch sehr anschaulich und nicht ohne tiefere Bedeutung ist der ironisierende Dialektausdruck «Büetz», der dem hausfraulichen Bereich entstammt und das Ausbessern und Flicken von Kleidern, das Zusammennähen bezeichnet. Der «Büetzer» verbindet Bestehendes mit Neuem, Kräfte mit Wegen und macht damit Dinge brauchbar, Kommunikationen nutzbar, kurz: er «vernetzt» sinnvoll. So betrachtet «schaffen» wir alle als «Büetzer».

ROBERT NEF

Schweizer Monatshefte – Heft 3, 1995 – Seite 1

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